Der „eilige Vater“
Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hat bereits zu Lebzeiten als „Rekord-Papst“ gegolten. Zwar war er die letzten Jahre seines Lebens zusehends von Krankheit gezeichnet, dennoch saß mit über 26 Jahren kein anderer Pontifex im vergangenen Jahrhundert so lange auf dem Stuhl Petri wie er.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Nur weitere elf Päpste haben in der gesamten 2.000-jährigen Kirchengeschichte wie er länger als 20 Jahre regiert. Als reisefreudigstes Kirchenoberhaupt aller Zeiten erhielt er den Namen „eiliger Vater“. Insgesamt ernannte Johannes Paul II. mehr als 230 Kardinäle, darunter auch den Wiener Erzbischof Christoph Schönborn.
Karol Wojtyla wurde am 18. Mai 1920 im südpolnischen Wadowice bei Krakau als Sohn eines k. u. k. Offiziers geboren und verlor schon im Alter von neun Jahren die Mutter. 1938 begann er zunächst ein Philosophiestudium, nahm zugleich auch Schauspielunterricht und war Mitbegründer des Rhapsodie-Theaters in Krakau.
Vom Steinbrucharbeiter zum Kirchenoberhaupt
Während der NS-Besetzung Polens war der spätere Papst in einem Steinbruch und später als Arbeiter in einer chemischen Fabrik tätig. Im Untergrund studierte er Theologie, nach der Priesterweihe am 1. November 1946 ging er zum Studium nach Rom und kehrte 1948 als Kaplan und Studentenpfarrer nach Polen zurück. 1958 wurde Wojtyla in Krakau zum Weihbischof ernannt, 1963 übernahm er die Leitung der Erzdiözese Krakau. Am 26. Juni 1967 machte ihn Papst Paul VI. zum Kardinal. Am 16. Oktober 1978 wurde Wojtyla schließlich als erster Nichtitaliener seit 455 Jahren an die Spitze der katholischen Weltkirche gewählt.

AP
Wojtyla bei seiner Wahl zum Papst
30-mal Erde umrundet
Nach seinem Amtsantritt legte Johannes Paul II. bei 105 Auslandsbesuchen in 130 Ländern und mehr als 150 Besuchen innerhalb Italiens weit mehr als eine Million Kilometer zurück und umrundete damit mehr als 30-mal die Erde. Kein Papst vor ihm hatte so viele Menschen durch Reisen und durch die Medien erreicht.
Als erster Pontifex besuchte er eine Synagoge (in Rom im April 1986) und eine Moschee (die Omajjaden-Moschee in Damaskus im Mai 2001). Der Vatikan unterhält heute diplomatische Beziehungen zu mehr Staaten als je zuvor, ein weiterer Akzent des Pontifikates sind die mehr als 950 Seligen und beinahe 300 Heiligen, die der Papst zur Ehre der Altäre erhob. Das dramatischste Ereignis seines Pontifikates war das Attentat des Türken Mehmet Ali Agca auf dem Petersplatz am 13. Mai 1981, bei dem Johannes Paul II. durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verletzt wurde.

AP/Arturo Mari
Attentat im Mai 1981, im linken Bildrand die Pistole von Ali Agca
Modernisierer und politischer Begleiter
Bald nach seinem Amtsantritt zeichnete sich ab, dass der Papst aus dem Osten die geistige wie politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus im Blick hatte. Dreimal reiste er in das kommunistische Polen und gab dort Kirche und Opposition moralische Rückenstärkung. Gezielte Signale für den Osten Europas setzte er auch mit Selig- und Heiligsprechungen. Selbst der frühere Kreml-Chef Michail Gorbatschow bescheinigte dem Papst aus Polen, dass er wesentlich zum Ende des Kommunismus und zu den Ereignissen der Wendejahre 1989/90 beigetragen habe.
Als neu gewählter Papst gab Johannes Paul II. zudem einen neuen und unorthodoxen Stil vor: Er trat sein Amt nicht mit Krönung und feierlicher Thronbesteigung an, sondern im Rahmen eines schlichten Gottesdienstes. Er führte einen modernen Umgangsstil in den Apostolischen Palast ein und brach mit manchen traditionellen Zeremonien. Das höfische „Wir“ verschwand ebenso endgültig wie der päpstliche Tragsessel.
Kritik an umstrittenen Bischofsernennungen
Der anfängliche Applaus schlug allerdings im Laufe der Jahre vielfach in Distanz und Kritik um. Ursache waren kontroversiell aufgenommene Bischofsernennungen - etwa jene von Hans Hermann Groer, Kurt Krenn und Georg Eder in Österreich - und die rigide Haltung des Papstes in Fragen der Moral und der Kirchenordnung (Zölibat, Empfängnisverhütung, Frauenordination).
Der vor seinem Tod gesundheitlich bereits stark gezeichnete Papst verstarb am 2. April 2005 im Alter von 84 Jahren. Todesursachen waren ein septischer Schock und ein irreversibler Herz-Kreislauf-Kollaps.
Von Ratzinger beerbt
Auf ihn folgte schließlich der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger. Dieser verdankte Johannes Paul II. selbst seinen großen Karrieresprung - er berief ihn 1981 nach Rom. Der Posten des Präfekten der Glaubenskongregation war dem kühlen und strengen Denker wie auf den Leib geschrieben. Mit dem damaligen Papst sprach Ratzinger deutsch - aber auch sonst lagen die beiden in Glaubensfragen strikt konservativen Männer auf einer Wellenlänge. Ob Verdammung künstlicher Geburtenregelung, Verbot weiblicher Priester oder Befreiungstheologie in Lateinamerika: Das oberste Urteil im Vatikan trug die Handschrift des Deutschen.
Link: