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Oscar Wildes einziger Roman

Bevor Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ erstmals in Buchform erschienen ist, hat der Schriftsteller die „anstößigsten“ Passagen entfernt. Nun hat die Havard University Press mit „Picture of Dorian Gray: An Annotated, Uncensored Edition“ eine kommentierte und der ursprünglichen Version entsprechende Fassung herausgegeben.

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Wildes einziger Roman, der bis heute ein viel rezipiertes Werk ist, wurde in seiner Urfassung 1890 im „Lippincott’s Monthly Magazine“ abgedruckt und wurde umgehend von der Presse verrissen. Man bescheinigte dem Schriftsteller nicht nur einen langatmigen Stil, sondern kritisierte vor allem die Handlung, die als „schmutzig“, „unmoralisch“ und „giftig“ empfunden wurde.

Homoerotische Passagen erzürnten Briten

Vor allem die eindeutig als solche zu erkennende homosexuelle Beziehung zwischen dem Künstler Hallward und dem Jüngling Dorian Gray war den prüden Briten im 19. Jahrhundert zu viel. Trotz der niederschmetternden Reaktionen fand Wilde mit Lock, Ward and Co. einen Verlag, der bereit war, „Das Bildnis des Dorian Gray“ zu veröffentlichen. Unter einer Bedingung: Der Schriftsteller sollte vor allem homoerotische Passagen entschärfen.

Grabstein von Oscar Wilde

APA/EPA/Horacio Villalobos

Oscar Wildes Grabstein in Paris dient Fans bis heute als Pilgerstätte.

Wilde gestaltete wichtig erscheinende Aspekte der Handlung etwas weiter aus, legte mehr Augenmerk auf die geistreichen Konversationen, Grays Charakter und seine dekadenten Ausschweifungen. Die Beziehung zwischen den Männern tritt in der überarbeiteten Fassung in den Hintergrund.

Lob von berühmten Kollegen

Tatsächlich stieß die neue Version bei ihrem Erscheinen auf viel weniger Kritik, namhafte Zeitgenossen wie Arthur Conan Doyle, William Butler Yeats und später auch James Joyce fanden anerkennende Worte für das Werk.

Wilde war lange Jahre seines Lebens Anfeindungen ausgesetzt. Wegen seiner Beziehung zu Männern wurde ihm 1895 Unzuchtsprozess gemacht und er verbrachte zwei Jahre bei schwerer körperlicher Arbeit im Gefängnis. Danach galt er als gesellschaftlich geächtet und floh nach Paris, wo er drei Jahre später mittellos und einsam in einem Hotelzimmer verstarb.

Postume Anerkennung, aber keine Begnadigung

Nach seinem Tod wurde Wilde zu einer Schwulenikone. Seine letzte Ruhestätte auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise wird bis heute von Fans aus aller Welt mit Blumen überhäuft, der Grabstein mit unzähligen Abdrücken von Kussmündern verziert.

Trotzdem wurde Wilde nicht postum begnadigt. Der ehemalige britische Innenminister Michael Howard schrieb 1994 an eine Homosexuellen-Organisation, dass „es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass Oscar Wilde entgegen den in seiner Zeit geltenden Gesetzen verurteilt wurde“. Deshalb könne er nicht postum begnadigt werden. Die Homosexuellen-Organisation „Outrage“ hatte Königin Eizabeth II. gebeten, Wilde anlässlich des 100. Jahrestages seiner Verurteilung zu begnadigen.

Buchcover: Picture of Dorian Gray: An Annotated, Uncensored Edition

Harvard University Press

Buchhinweis

Oscar Wilde: Picture of Dorian Gray: An Annotated, Uncensored Edition. Harvard University Press, 304 Seiten, 25,99 Euro.

Rezeption in Film und Theater

„Das Bildnis des Dorian Gray“ ist bis heute eine beliebte und zeitlose Vorlage für Film und Theater. Schon 1910 entstand der erste „Dorian Gray“-Film, viele weitere folgten. Erst 2009 machte Regisseur Oliver Parker das Buch zum Leinwandthema. Die vom Original abweichende Adaption setzte jedoch auf Action, Schauderstimmung und Schockelemente, wobei Hauptdarsteller Ben Barnes die Kritiker in der Rolle des Dorian nicht überzeugen konnte.

In Österreich war erst in der vergangenen Saison im Burgtheater-Vestibül die „Dorian Gray“-Inszenierung des Jungregisseurs Bastian Kraft zu sehen. Die viel gelobte Arbeit wurde im April dieses Jahres zum renommierten Münchner Nachwuchsfestival „Radikal jung“ eingeladen.

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