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Proteste und Mahnwachen

25 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl haben in der Ukraine in der Nacht die Gedenkfeiern an die Tausenden Opfer des Super-GAUs begonnen. Um 1.23 Uhr Ortszeit (0.23 Uhr MESZ) erklangen 25 Schläge mit der Tschernobyl-Glocke. Sie läutet traditionell das Erinnern am Jahrestag des Unglücks ein.

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„Bis zu diesem Zeitpunkt kannte die Menschheit keine solche Katastrophe wie Tschernobyl“, sagte der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, bei einer Trauermesse am Dienstag. Dort trugen Hunderte Menschen, darunter viele Aufräumarbeiter von damals, Kerzen und Blumen. Auch unter dem Eindruck der Reaktorunglücke im japanischen Fukushima wird weltweit der Atomkatastrophe gedacht.

Greenpeace-Aktivist mit Maske hält zwei Papierfässer mit der Aufschrift "1986 Tschernobyl" und "20111 Fukushima" in den Händen

APA/EPA/Francis R. Malasig

Weltweit wurde gegen Atomkraftwerke demonstriert.

Die Umweltorganisation Greenpeace bestrahlte den Reaktor 4, der am 26. April 1986 bei einer Notfallübung explodiert war, mit einer Lichtprojektion. Auch ein Totenkopf sowie Anti-Atomkraft-Slogans auf Japanisch, Deutsch und Russisch waren zu sehen. „Wir sind den Opfern von Tschernobyl gegenüber zum Atomausstieg verpflichtet“, sagte der deutsche Greenpeace-Aktivist Tobias Münchmeyer in der kühlen und klaren Nacht in der ruhigen Sperrzone am Kraftwerk.

Betroffene Länder setzen weiter auf Atomkraft

In Russland zündete die Umweltorganisation Bellona in St. Petersburg Fackeln aus Papier an, die in die Luft stiegen. In der verstrahlten Sperrzone wollen die Präsidenten der bis heute am stärksten betroffenen Ex-Sowjetrepubliken Ukraine und Russland an die vielen Strahlen- und Krebsopfer sowie Hunderttausenden Helfer erinnern. Ungeachtet der Tschernobyl-Folgen setzen diese Länder weiter auf einen Ausbau der Atomkraft. Das besonders stark betroffene und autoritär geführte Weißrussland will bis 2017/18 den ersten Kernreaktor bauen lassen.

Greenpeace-Projektion mit der Angabe von Datum und Uhrzeit der Katastrophe auf dem Reaktor "Sarcophagus"

APA/EPA/GREENPEACE/Vadim Kantor

Lichtprojektionen am Unglücksreaktor.

Kreml-Chef Dimitri Medwedew hatte vor seiner Abreise nach Kiew erklärt, dass die Kraftwerke vor allem noch sicherer gemacht werden müssten. „Die friedliche Atomnutzung gilt als die billigste und alles in allem ökologisch sauberste Energieform“, sagte Medwedew. Atomkraftgegner halten die Nuklearenergie hingegen für teuer, unkontrollierbar und im Ernstfall tödlich. Experten schätzen den Tschernobyl-Schaden auf umgerechnet 124 Milliarden Euro.

Denkmäler für Liquidatoren eingeweiht

In Lwiw in der Westukraine und in der russischen Ostseeregion Kaliningrad, dem früheren Königsberg, wurden Denkmäler für die so genannten Liquidatoren - die Aufräumarbeiter - eingeweiht. Russische Umweltschützer wollten in Moskau vor der Zentrale des Kraftwerkbauers Rosatom für eine Abschaltung alter Reaktoren demonstrieren.

„Die Atomexplosion in Tschernobyl brachte furchtbares Leid über Millionen von Menschen. Und sie tut es immer noch“, sagte der Geschäftsführer von Greenpeace International, Kumi Naidoo, in der Sperrzone. Er verwies auch auf die schweren Unfälle in vier Kraftwerksblöcken im japanischen Fukushima, die mit dem Unglück von Tschernobyl vergleichbar seien.

Todeszahl ungewiss: Zwischen 31 und 100.000?

Bis heute ist die Zahl der Opfer umstritten: Die UNO-Expertenkommission für die Folgen radioaktiver Strahlung (UNSCEAR) erkennt lediglich den Tod von 31 Feuerwehrleuten und „Liquidatoren“ als direkte Folge der Strahlung an. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace dagegen geht davon aus, dass bis 2005 in der Ukraine, Russland und Weißrussland mindestens 100.000 Menschen an den Folgen von Tschernobyl starben.

Angesichts des durch das Erdbeben und den Tsunami am 11. März ausgelösten Unglücks in Fukushima ist der Streit über die Atomkraft in den vergangenen Wochen neu entbrannt. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief vergangene Woche bei einem Besuch in Tschernobyl zu einer „globalen Debatte“ über die Atomenergie auf.

Tausende demonstrieren in Deutschland

An mehreren Atommeilerstandorten in Deutschland kamen am Ostermontag Tausende Kernkraftgegner zusammen, um für eine umgehende Stilllegung der Anlagen zu demonstrieren. Einige tausend Menschen sammelten sich in der Nähe des Atomkraftwerks im unterfränkischen Grafenrheinfeld. Auch in Niedersachsen demonstrierten Tausende Menschen vor den Atommeilern Grohnde und Unterweser. Über hundert Busse und zahlreiche Traktorkonvois fuhren zum Kraftwerk Grohnde.

Faymann verurteilt Ausbau der Atomenergie

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verurteilte bei einer Kundgebung auf dem Wiener Stephansplatz am Montagabend den weiteren Ausbau der Atomenergie. „Wir wissen, dass seit Tschernobyl 160 neue AKWs auf der Welt gebaut wurden - und dass die Atomlobby nur warten möchte, bis das Thema in Vergessenheit gerät“, sagte Faymann in seiner Rede. Es sei angesichts der Atomkatastrophe in Fukushima „zynisch“, von der Atomkraft als beherrschbarer Technologie zu sprechen - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Die Umweltorganisation Global 2000 hatte am Vorabend des 25. Jahrestags der Atomkatastrophe in Tschernobyl zu der Kundgebung aufgerufen. Laut Polizei nahmen 1.000 Menschen daran teil, Global 2000 sprach von 5.000 - mehr dazu in wien.ORF.at

2.000 bei Salzburger Demo

In der Stadt Salzburg demonstrierten 2.000 Menschen gegen Atomenergie. Die Teilnehmer forderten, dass Österreich in Europa aktiver gegen die Atomkraft auftreten müsse - mehr dazu in salzburg.ORF.at.

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