Disput über Vergangenheit der Fotos
Der renommierte US-Fotokritiker und Journalist A. D. Coleman geht auf seinem Blog Photocritic International scharf mit der Wiener Galerie WestLicht ins Gericht. Diese habe nach dem Ankauf der wertvollen Polaroid-Sammlung eine „peinliche“ Aussendung mit „weitgehend falschen Behauptungen“ verschickt und das Schweizer Musee D’Elysee diffamiert. Peter Coeln, Leiter der Galerie, nahm gegenüber ORF.at Stellung und widerlegte die Aussagen.
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Coleman, der vom „American Photo Magazine“ als einer der „Top 100 People in Photography“ genannt wurde, kritisiert weder den Ankauf durch WestLicht an sich noch die angekündigte Ausstellung, die einen Querschnitt der Sammlung zeigen soll. Vielmehr geht es ihm darum, dass durch die Presseaussendung des WestLicht-Leiters Coeln viele Details in der Geschichte der Polaroid-Sammlung falsch dargestellt wurden - und danach von vielen Medien so zitiert wurden.
Polaroid-Sammlung „war nie verschwunden“
Als die Polaroid Corporation 1990 die europäischen Niederlassungen aufließ, wurde die zwischen 1970 und 1990 entstandenen Polaroid-Sammlung aufgeteilt: 4.400 Werke von rund 800 Fotografen wurden dem Musee D’Elysee in Lausanne übergeben, die restlichen 1.600 gingen an das Pariser La Maison Eurpeenne de la Photographie. Entgegen der Darstellung der WestLicht-Aussendung seien die Sammlungen jedoch keineswegs verschwunden gewesen, so Coleman, sondern in beiden Institutionen für Wissenschaftler zugänglich gewesen, sie wurden ausgestellt, verliehen und in Publikationen abgedruckt.
Coeln widerspricht gegenüber ORF.at dem Kritiker: Tatsächlich habe sich die zwanzigjährige Vergangenheit der Sammlung in der Schweiz eher im Verborgenen abgespielt. Erst 2010 sei ein Bruchteil von vielleicht 80 Fotos ausgestellt worden.
Ein Teil der Sammlung bleibt in der Schweiz
Dass er sich beim Museum in Lausanne nicht bedankt habe, was ihm von Coleman als „Unhöflichkeit“ vorgeworfen wurde, findet Coeln nicht weiter verwerflich: Einerseits hätte die Pflege der Polaroids tatsächlich nicht dem entsprochen, was man sich bei einer derart wertvollen Sammlung erwarte, andererseits hätte WestLicht dem Musee D’Elysee sämtliche Werke von Schweizer Fotografen aus der Sammlung überlassen.

Oliviero Toscani, Andy Warhol/1975/Sammlung WestLicht
Andy Warhol auf einem Bild, das zum Teil der von WestLicht angekauften Sammlung gehört
Vor Einzelversteigerungen „gerettet“
Daran, dass die Bilder überhaupt unter den Hammer kamen, sei niemand schuld außer dem Masseverwalter, erklärte Coeln. Anders als in Colemans Blog behauptet wird, waren tatsächlich schon die Bilder ausgewählt worden, die in individuellen Versteigerungen bei Sotheby’s an den Mann gebracht werden sollten. Der Eintritt von WestLicht in das Bieterverfahren und der Ankauf hätte daher tatsächlich die Sammlung gerettet.
Das Museum in Lausanne hätte zwei Jahre Zeit gehabt, einen Investor zu finden, um für die im Verhältnis zum Wert der Sammlung geringe Summe aufzutreiben, für die die Polaroid-Sammlung letztlich den Besitzer wechselte. Für Coeln ist es bis heute unverständlich, warum kein Geldgeber zu finden war. Andererseits freut er sich natürlich für WestLicht: Schon mit dem geplanten Bildband, der großen Ausstellung und dem Vorhaben, die Fotos „auf Wanderschaft“ zu schicken, würden viel mehr Menschen die Gelegenheit bekommen, die Bilder zu sehen.
Impossible Project will Sammlung fortführen
Zudem arbeitet die Galerie eng mit dem Impossible Project zusammen, das die letzte intakte Polaroid-Filmfabrik aufgekauft hat, um dort neue Filmmaterialien für traditionelle Polaroid-Kameras zu produzieren. Ganz im Sinne der ursprünglichen Polaroid-Sammlung sollen damit erneut Fotografen und Künstler eingeladen werden, um die Sammlung fortzuführen.
Durch Kommentare in seinem Blog auf Unklarheiten in seinen akribischen Ausführungen hingewiesen, zeigte sich Coleman aktuell doch versöhnlich. Er freue sich, wenn er tatsächlich eines Besseren belehrt würde, und die Polaroids eine würdige Heimat gefunden hätten. Die WestLicht-Ausstellung „Polaroid (Im)Possible“, die ab Juni in Wien zu sehen ist, wird dies beweisen, ist sich Coeln sicher.
Sophia Felbermair, ORF.at
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