Pazifikverstrahlung größtes Problem
Die japanische Atomaufsichtsbehörde hat die Einschätzung der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima I von Stufe fünf auf die höchste Stufe sieben angehoben, die bisher nur das AKW-Unglück in Tschernobyl erreicht hatte. Die aus Reaktor 2 austretende Radioaktivität könnte jedoch die in Tschernobyl freigesetzte Menge noch übertreffen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den Betreiber TEPCO.
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„Im schlimmsten Szenario würde eine Schadstoffwolke von Fukushima in eine Höhe von maximal 500 Metern steigen“, sagte der oberste Wissenschaftsberater der britischen Regierung, John Beddington. „Daher ginge die Radioaktivität recht nahe am Reaktor herunter.“ Die Folgen wären dennoch katastrophal. Das größte langfristige Problem ist derzeit die radioaktive Verseuchung des Pazifiks, in den TEPCO radioaktives Wasser geleitet hat.
Besorgnis wegen hoher Bevölkerungsdichte
In der Ukraine und Weißrussland sind auch 25 Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl weite Landstriche verstrahlt - und werden es auf lange Zeit sein. Radioaktive Stoffe wie Plutonium halten sich oft mehrere tausend Jahre. Problematisch ist nach Ansicht von Experten vor allem die extrem hohe Bevölkerungsdichte in Japan.
Bisher hatte für drei Meiler in Fukushima I die Stufe fünf gegolten. Diese bedeutet nach Angaben des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS): begrenzte Freisetzung von radioaktiven Stoffen und Einsatz einzelner Katastrophenschutzmaßnahmen. Stufe sieben bedeutet: schwerste Freisetzung: Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld. Demnach kann ein Atomunfall auch ohne eine katastrophale Explosion die höchste Stufe erreichen.
Die in Fukushima I freigesetzten radioaktiven Materialien würden bisher zehn Prozent jener von Tschernobyl betragen, hieß es. Die Strahlung stamme überwiegend aus Reaktor 2, wo es am 15. März zu einer Explosion gekommen war, berichtete Kyodo.
Skala in 90er Jahren erstmals angewendet
Nach der Katastrophe von Tschernobyl war eine Skala geschaffen worden, um die Öffentlichkeit einheitlich über die Schwere eines Atomunfalls zu informieren. Auf dieser siebenstufigen INES-Skala (International Nuclear and Radiological Event Scale) hatte bisher nur der Tschernobyl-Unfall die höchste Einstufung sieben bekommen.
Die Skala wurde Anfang der 90er Jahre erstmals angewendet. Sie soll der Öffentlichkeit eine Orientierung zur Bedeutung eines Zwischenfalls geben. Man kann sie analog zur Richterskala bei Erdbeben verstehen. Für Atomunfälle vor den 1990er Jahren wurde die Stärke der Ereignisse erst im Nachhinein bestimmt.
Die Mitgliedsländer der internationalen Verträge zum Betrieb von Atomkraftwerken sind verpflichtet, Zwischenfälle oder meldepflichtige Ereignisse der Stufe zwei (Störfall) an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu melden. Von dort gehen die Informationen an die anderen Länder. Kritisiert wird an der Skala gerade von Atomkraftgegnern, dass Zwischenfälle erst spät überhaupt in der Skala auftauchen.
Kan setzt auf Optimismus
Die Situation in Fukushima I stabilisiere sich nach den Worten von Regierungschef Naoto Kan „Schritt für Schritt“. Die freigesetzten Strahlenwerte würden geringer, sagte Kan am Dienstag bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Kurz zuvor hatte die Atomsicherheitsbehörde die Schwere des Unglücks auf die maximale Stufe sieben erhöht. Diese Entscheidung sei nach einer neuen Überprüfung auf Basis der teilweise erhöhten radioaktiven Emissionen getroffen worden, sagte Kan. Zugleich versicherte er, die Gesundheit der Bürger habe oberste Priorität für die Regierung.
Die chinesische Regierung forderte Japan erneut auf, „präzise und vollständige“ Informationen zur Lage in Fukushima zu liefern. „Wir hoffen, dass die von Japan ergriffenen Maßnahmen es erlauben werden, die Situation effektiv zu verbessern“, sagte Außenministeriumssprecher Hong Lei in Peking. Am Freitag hatte China wegen möglicher radioaktiver Belastung sein Einfuhrverbot für bestimmte Lebensmittel aus Japan erweitert.
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