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Junge, reiche Männer im Fischfieber

Hund und Katze gelten gemeinhin als die beliebtesten Haustiere. Um das Aquarium, das ab den 60er und 70er Jahren vermehrt für Exotik im Wohnzimmer sorgte, wurde es eher still, bis der Walt-Disney-Film „Findet Nemo“ vor einigen Jahren Fischen den Weg ins Kinderzimmer bahnte. Doch nun könnte es Zeit für ein Comeback des Aquariums werden.

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Vor allem die Briten begegnen ihrem Fisch nicht mehr nur paniert und nebst Pommes frites mit Essig: Das britische Magazin „Prospect“ berichtet, dass sich die Umsätze von Zuchtfischhändlern innerhalb eines Jahres verdoppelt hätten, und ruft schon in Anlehnung an das Musical „Hair“ das „Age of Aquariums“ aus - und das komme in der Luxusvariante.

Demnach entdecken vor allem junge, reiche Männer das Hobby. Auch etliche Promis - von Fußballprofis bis zu russischen Oligarchen - hätten ihre Liebe zum Aquarium entdeckt.

Der teuerste Fisch der Welt

Als teuerster Fisch der Welt gilt der Platinum Arowana, eine aufgrund eines Pigmentdefekts weiße Variation des südamerikanischen Süßwasserraubfischs. Fantasiepreise von 80.000 Dollar pro Fisch sind verbrieft, „Prospect“ schreibt sogar von Summen bis zu 400.000 Dollar - pro Stück. Herausstechende Eigenschaft ist seine Seltenheit, für Laien wirkt der Fisch weder besonders formschön noch sonst wie interessant.

Der teuerste Fisch der Welt, Platinum Arowana

Lerdsuwa unter cc by-sa

Der Platinum Arowana wird bis zu 1,2 Meter groß.

Zudem hat er die Angewohnheit, aus dem Wasser zu springen und damit zu verenden. Abgedeckte Aquarien wiederum begünstigen die tödlich verlaufende Krankheit Fallauge. Innerartlich gelten sie als recht aggressiv, sodass Auseinandersetzungen ebenfalls oft mit dem Bauch nach oben enden. Insgesamt ist der Fisch also wohl eher ein Liebhaberstück. Verläuft alles glimpflich, beträgt die Lebenswertung zwischen zehn und 15 Jahren.

Nervenkitzel pur?

Spätestens bei solchen Preisen ist es freilich mit der angeblichen beruhigenden Wirkung von Aquarien vorbei. Falscher ph-Wert, zu wenig Sauerstoff, zu viel Nitrit, falsche Wassertemperatur und falscher Salzgehalt bei Meerwasserbecken - all das kann ein blühendes Aquarium schnell zu einer sehr teuren Todeszone machen. „Für mich ist es Stress, Panik, Hektik“, meinte ein Aquarianer zu „Prospect“. Es müsse alles in Balance sein und es gebe so viel, das man berücksichtigen müsse. „Wenn irgendetwas schiefgeht, spielt alles verrückt.“

Ablesen lässt sich der Trend auch im Internet: Einschlägige Foren sind bestens besucht, auf Youtube liegen Videos von besonders bekannten Aquarien bei mehreren hunderttausend Klicks.

Sportliche Dimensionen

Es scheint auch nicht weiter verwunderlich, dass das Hobby mittlerweile auch durchaus sportlich betrieben wird: Seit 2001 messen sich Aquaristiker beim International Aquatic Plants Layout Competition. Im Vorjahr gab es bereits über 1.800 Teilnehmer aus 55 Ländern. Eingesendet werden Aquariengestaltungen, die in fünf Kategorien benotet werden. Diese sind Kreativität, die Komposition der Pflanzen, die Harmonie von Fischen und Landschaft, die Natürlichkeit und schließlich auch die Haltbarkeit des Arrangements über einen gewissen Zeitraum. Bisher gab es nur Gewinner aus Asien.

Als Hohepriester der neuen Szene gilt der japanische Fotograf Takashi Amano, dessen Firma den Wettbewerb auch ausrichtet. Er verband japanische Gartenkunst mit Aquariengestaltung, setzte sozusagen Zen, Feng-Shui und Bonsai unter Wasser und prägte wesentlich den Stil der Naturaquarien. Die Fische, die sich in derart kunstvoll gestalteten Landschaften bewegen, sind dann nur mehr Nebensache. Quasi als Gegenspieler gilt das seit den 60er Jahren populäre holländische Pflanzenaquarium, auch heute setzt die niederländische Schule Veni Vidi Vissie auf kräftige Farben und üppigen Stil.

Woher kommt der Boom?

„Prospect“ führt eine Vielzahl von Theorien für den neuen Aquarienboom an. Etliche würden freilich Disneys „Findet Nemo“ aus dem Jahr 2003 anführen, der den Trend eingeleitet habe, heißt es etwa. Andere wiederum glauben an einen Nebeneffekt der Tatsache, dass Tauchen in den vergangenen Jahren immer populärer geworden ist.

Werbespots und die in Großbritannien 2001 ausgestrahlte Dokuserie „Blue Planet“ von David Attenborough könnten ebenfalls die Begeisterung mitverursacht haben. Oder es ist einfach eine Folge des 70er-Jahre-Revivals. Im urbanen Raum fehle der Platz für Gärten, Aquarien seien damit ein Ersatz für Gartengestaltung, heißt es auch. Vielleicht sei es Teil des Trends zu teurer und extravaganter Innenausstattung. Und schließlich würden Aquarien Kunst, Wissenschaft und Natur vereinen.

Nur Männer schauen ins Glas

Während selbst Experten also über den Grund für den Hype grübeln, sind sie sich in einem einig: Aquarien sind offenbar reine Männersache. Bei den Mutmaßungen über den Grund dafür wird schon tief in die psychoanalytische Deutungskiste gegriffen: Ein Paralelluniversum werde geschaffen, über das man die totale Kontrolle habe, heißt es etwa in „Prospect“. Oder aber das Hobby bringe die Männer in eine Welt, die von den Anstrengungen der Geschlechterverhältnisse völlig abgeschieden sei. Vielleicht hänge es aber auch damit zusammen, dass sich eher Männer für Haustiere erwärmen können, zu denen der „persönliche Kontakt“ im Wesentlichen aufs Anschauen beschränkt ist.

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