Regime „kennt keine Grenzen“
Seit dem Ausbruch der Rebellion gegen Libyens Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi fehlt nach Angaben von Hilfsorganisationen von immer mehr oppositionellen Kämpfern jede Spur. Hunderte Regierungsgegner befinden sich allein auf einer Liste des Roten Halbmondes. Zahlreiche sollen sich als Kriegsgefangene in der von Al-Gaddafi-Truppen gehaltenen Stadt Sirte befinden.
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Dort sollen die Aufständischen als Verräter zur Schau gestellt worden sein. Der arabischen TV-Senders al-Jazeera berichtete zudem von einem vom Innenministeirium betriebenen Geheimgefängnis, in dem Regierungsgegner gefoltert und auch hingerichtet worden sein sollen.
Untermauert wird der Vorwurf von den Angaben eines offenbar aus Al-Gaddafis Foltergefängnis geflohenen Augenzeugen. In den zehn Tagen, die er in dem Gefängnis verbrachte, seien zahlreiche Regierungsgegner bei Verhören von Spezialeinheiten gefoltert worden. Der 24-Jährige sprach auch von Erschießungskommandos.
Auch UNO schlägt Alarm
Mit Blick auf Al-Gaddafis bisheriges Terrorregime äußerten auch Angehörige von vermissten Aufständischen die Befürchtung, dass diese nun in den Händen der Folterknechte des Regimes seien. „Wir kennen Al-Gaddafi“, so ein Angehöriger gegenüber dem kanadischen TV-Sender CTV: „Er kennt keine Grenzen.“
Die Hilfsorganisation Roter Halbmond sprach zuletzt von 400 vermissten Regierungsgegnern - da es aus großen Teilen des Landes derzeit keine gesicherten Informationen gebe, werde allerdings eine weit höhere Zahl befürchtet. Auch eine Arbeitsgruppe des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) kam zuletzt zu einem ähnlichen Schluss.
„Vergewaltigungen als Kriegswaffe“
Auch zahlreiche Zeugenaussagen aus all jenen Städten, die Al-Gaddafi weiter bzw. wieder unter Kontrolle hat, decken sich mit den Vorwürfen. Berichtet wird von Hausdurchsuchungen und der Verschleppung und Folter von Oppositionellen. Laut Ärzteangaben aus Adschdabija seien „Tausende von Zivilisten“, die als Sympathisanten der Opposition galten, verschleppt worden und gelten seitdem als spurlos verschwunden.
Selbst Ärzte seien von Regierungssoldaten beschossen und verschleppt worden, zitierte al-Jazeera den Chirurgen Suleiman Refadi aus dem Al-Mgarif-Spital in Adschdabija. Ein weiterer Arzt berichtete gegenüber dem arabischen TV-Sender, dass Al-Gaddafis Truppen zur Abschreckung der Bevölkerung auch systematische Vergewaltigungen „als Kriegswaffe“ einsetzen würden.
Al-Gaddafi in Washington abgeblitzt
Unterdessen ist Al-Gaddafi bei US-Präsident Barack Obama mit einem persönlichen Bittschreiben abgeblitzt. US-Außenministerin Hillary Clinton wies umgehend Al-Gaddafis Appell zurück, die NATO-Luftangriffe zu stoppen, und forderte ihn auf, ins Exil zu gehen. Al-Gaddafis Truppen müssten die Waffen schweigen lassen und sich aus den besetzten Städten zurückziehen, sagte Clinton auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem italienischen Amtskollegen Franco Frattini. Außerdem müsse Gaddafi die Macht abgeben und sein Land verlassen.
Al-Gaddafi äußerte in dem Schreiben CNN zufolge dennoch die Hoffnung, dass Obama im nächsten Jahr als Präsident wiedergewählt werde. Er erklärte, dass eine demokratische Gesellschaft nicht durch Raketen und Kampfflugzeuge aufgebaut werden könne. „Sie sind ein Mann, der genug Mut hat, eine falsche Handlung zu annullieren.“ Bereits früher hatte Al-Gaddafi Obama im väterlichen Ton geschrieben.
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