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„Tanzt, sonst sind wir verloren“

Langsam hat sich Wim Wenders an die gehypte 3-D-Technologie herangetastet: Anfänglicher Skepsis und Ablehnung ist Begeisterung gewichen, während er seinen neuen Film „Pina“ fertigstellte, der bei der Berlinale seine Uraufführung feierte. Unlängst war die Tanzdokumentation - eine Hommage an die Ausnahmetänzerin Pina Bausch - auch in den österreichischen Kinos zu sehen.

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Geplant war der Film als Gemeinschaftsprojekt zwischen Wenders und Bausch, das mit dem Tod der Tänzerin ein abruptes Ende gefunden zu haben schien. Erst Monate später entschied sich der Regisseur in Zusammenarbeit mit den Tänzern von Bauschs Wuppertaler Tanztheater, die begonnene Arbeit mit geändertem Konzept fertigzustellen - mit der Verpflichtung, „dass dieses dreidimensionale Bild auch echt so fantastisch aussah, wie ich es ihr versprochen hatte“, so Wenders.

Wenders sieht die Zukunft von Dokus in 3-D

Der durchschlagende Erfolg von James Camerons „Avatar“ vor zwei Jahren ließ alles danach aussehen, als wären Filme in herkömmlicher 2-D-Variante schon bald Geschichte. Und auch wenn seitdem - vor allem im Animations- und Actiongenre - so mancher 3-D-Film erschienen ist, geht die Umstellung langsamer vonstatten als zunächst prognostiziert. Kaum zum Einsatz kam die neue Technologie bisher etwa im Bereich Dokumentarfilm. Völlig unverständlicherweise, wie Wenders findet. Für ihn macht gerade die Möglichkeit, die Zuschauer auf einer realen Ebene ins dokumentierte Geschehen ziehen zu können, den Reiz an der dritten Filmdimension aus.

Filmszene aus "Pina"

Filmladen Filmverleih/Donata Wenders

Neben Szenen aus den Stücken des Wuppertaler Tanztheaters wird in „Pina“ auch in der freien Natur und mitten in der Stadt getanzt.

„Ich will ihre Stücke zeigen - nicht sagen, was sie bedeuten“, erklärte Wenders anlässlich der Filmpremiere in Berlin. Die Arbeiten, die er dafür gemeinsam mit seiner engen Freundin Bausch ausgewählt hatte, gelten als Schlüsselwerke ihres Schaffens: „Cafe Müller“, „Le Sacre du printemps“, „Vollmond“ und „Kontakthof“.

Fragen und getanzte Antworten

Als roter Faden durch „Pina“ gab Wenders den Tänzern, die teilweise über Jahrzehnte Teil der weltbekannten Company waren, eine Plattform - durch Interviews und in individuellen Soloauftritten an für Tänzer ungewöhnlichen Orten. Sie sprechen über ihr Verhältnis zur Tanzikone, den Umgang mit dem Verlust durch ihren Tod. Vor allem sprechen sie aber mit ihren Körpern - in der Sprache, die wohl kaum jemand so gut beherrschte wie Bausch.

Wenders verwendete dafür auch die Methode des „Fragens“, mit der die Starchoreografin und ihre Company jahrelang arbeiteten: Auf eine Frage antworten die Künstler mit improvisiertem Tanz und transportieren so Empfindungen und persönliche Erfahrungen. Getanzt wird mitten in der Stadt, auf Verkehrsinseln und Parkplätzen, auch in der freien Natur, auf Wiesen, in Schottergruben und zwischen Bäumen.

Bausch gab ihren Stücken erst sehr spät Titel

Die Company-Leiterin gab ihren Stücken oft erst lange nach der Uraufführung einen Titel. Auch für die Verfilmung ihres Werkes, an der sie bis kurz vor ihren überraschenden Tod im Sommer 2009 mit Wim Wenders arbeitete, gab es damals noch keinen Namen. Als retrospektives Werk genügte dem Regisseur schließlich der Vorname der Tänzerin - mit einem Zitat Bauschs als Untertitel: „Tanzt, sonst sind wir verloren.“

Filmszene aus "Pina"

Filmladen Filmverleih/Donata Wenders

Wim Wenders vermutet, dass „3-D in gar nicht mehr so weiter Ferne vor allem im Dokumentarfilm die neue Norm sein wird“.

Die Erfinderin des Tanztheaters

Bausch gilt als die Erfinderin des Tanztheaters, die durch die Zusammenführung der Genres Tanz mit Pantomime, Artistik und Gesang diese neue Gattung über Jahrzehnte hinweg prägte. Mit „Pina“ ist es Wenders gelungen, eine filmische Form zu finden, die zwar nicht an die Unmittelbarkeit der darstellenden Kunst heranreicht, ihr aber immerhin näherkommt als je zuvor.

Die Bilder, die im Film zu sehen sind, sind teilweise von bedrückender Schönheit, die vermittelten Gefühle springen geradezu in den Zuschauerraum - Wenders Mission ist geglückt. Es wird nicht sein letzter 3-D-Film bleiben, so viel stellte der Regisseur auch schon fest: „Im Moment wüsste ich gar nicht, wie ich davon wieder runterkommen soll.“

Sophia Felbermair, ORF.at

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