Bisher „Untermieter“ in Kasachstan
In die russische Raumfahrt ist der Ehrgeiz zurückgekehrt, nicht nur wegen des 50. Jahrestags des ersten bemannten Raumflugs. Nach dem letzten Flug eines US-Spaceshuttles voraussichtlich Ende Juni wird Russland das einzige Land sein, das in der Lage ist, Menschen in den Weltraum zu fliegen - zumindest für einige Jahre. Diesen Vorsprung will Moskau nun scheinbar nutzen.
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In spätestens vier Jahren will Russland im äußersten Osten des Landes, in Wostotschni nahe der Grenze zu China, einen eigenen Weltraumbahnhof in Betrieb nehmen. Ab 2015 sollen von dort aus vorerst unbemannte Flüge starten, ab 2018 die ersten bemannten, wie der Leiter der zivilen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Anatoli Perminow, kürzlich erklärte.
Das Areal soll eine Fläche von Dutzenden Quadratkilometern mit Werken zur Herstellung von Treibstoff, Wohneinheiten und Versorgungsinfrastruktur für Tausende Menschen umfassen. Parallel dazu arbeitet Russland an zwei neuen Trägerraketensystemen (Typ Rus-M und Angara), die nach dem Modulprinzip aufgebaut sind.
Abhängig von Baikonur
Das geplante neue Kosmodrom werde unterstreichen, wozu das Land „technologisch fähig“ sei, so Perminow nicht ohne Stolz. Zwar spielt bei dem Projekt sicher auch dieser eine Rolle, aber die Pläne haben auch einen anderen Grund: Russland geht es in gewisser Weise ähnlich wie den USA. Werden US-Astronauten bald nur noch Passagiere in „Sojus“-Kapseln sein, so ist Russland seit dem Ende der Sowjetunion „Untermieter“ auf dem Kosmodrom Baikonur in Kasachstan. Die Pachtkosten dafür belaufen sich auf umgerechnet über 100 Mio. Euro pro Jahr.
Gutes Geschäft mit der NASA
Auf der Einnahmenseite ist dagegen für Russland der Vertrag mit der US-Weltraumbehörde NASA ein gutes Geschäft. Für vier Starts mit je drei Astronauten in den nächsten zwei Jahren erhält Roskosmos aus Washington über 300 Mio. Dollar (über 210 Mio. Euro) überwiesen.
Nach 2013 wird es für die NASA noch teurer. Insgesamt kosten die Plätze für US-Astronauten an Bord von „Sojus“-Kapseln bis 2016 umgerechnet über 500 Mio. Euro. Vorher werden die USA kaum in der Lage sein, einen Spaceshuttle-Nachfolger in Dienst zu stellen.
ISS-Flug in memoriam Juri Gagarin
Erst am 5. April hob erneut eine „Sojus“-Rakete mit zwei russischen Kosmonauten und einem US-Astronauten von Baikonur aus zur Internationalen Raumstation (ISS) ab. Der Flug war dem sowjetischen Raumfahrtpionier Juri Gagarin, dem ersten Menschen im Weltraum, gewidmet. Gagarin war am 12. April 1961 in einer „Wostok“-Kapsel ins All gestartet und hatte einmal die Erde umrundet.
Angebot an „Hobbyastronauten“
Russland will aber nicht nur gute Geschäfte mit der Raumfahrt im Dienst der Wissenschaft machen. Die Zukunft seien kommerzielle Flüge ins All, hieß es schon mehrfach von Roskosmos. Spätestens 2013 sollen wieder Weltraumtouristen mit „Sojus“-Raketen ins All fliegen können. Ab dann sind fünf statt vier Starts zur ISS pro Jahr geplant, womit Plätze für „Hobbyastronauten“ frei würden, wie das US-Unternehmen Space Adventures im Jänner mitteilte. Space Adventures hatte schon vor längerem einen entsprechenden Vertrag mit Roskosmos und dem russischen Raketenentwickler Energija unterzeichnet.
Jeder Flug werde ungefähr zehn Tage dauern, hieß es. Interessenten sollten allerdings gut bei Kasse sein: In den vergangenen Jahren hatten insgesamt sieben Weltraumtouristen für die Reise zum „Außenposten der Menschheit“ bis zu 40 Mio. Dollar gezahlt. Außerdem plant Space Adventures gemeinsam mit dem US-Flugzeughersteller Boeing, von 2015 an Touristentickets für das künftige Boeing-Weltraumvehikel „CST-100“ anzubieten.
Starts von Plattform im Pazifik
Energija kündigte währenddessen die Wiederaufnahme der Starts von „Zenit“-Trägerraketen von einer schwimmenden Plattform im Pazifik an. Vor zwei Jahren waren sie nach einer Explosion (bei der aber niemand verletzt wurde) eingestellt worden. „Für 2011 sind zwei Starts geplant. Danach rechnen wir mit jährlich mindestens vier Starts“, sagte Energija-Chef Witali Lopota Anfang April. Die Plattform am Äquator gehört dem Konsortium Sea Launch. Daran ist neben Energija auch Boeing beteiligt.
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