„Tricks“ gelten nicht mehr
Der Grund für die Änderungen bei der Berechnung des Budgetdefizits sind laut Statistik Austria „präzisere Auslegungsregeln für das europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG)“. Damit müssen Teile von bisher ausgelagerten Schulden dem Staatsschuldenstand zugerechnet werden, Teile davon werden auch defizitwirksam.
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Konrad Pesendorfer, Fachstatistischer Generaldirektor der Statistik Austria, sagte im Gespräch mit der APA, es gehe bei den Verschärfungen unter anderem darum, Konstruktionen zu verhindern, die nur darauf ausgelegt sind, Maastricht-schonend zu wirken.
Neue Definition von Staatsschulden
Es gelte das Prinzip „Inhalt vor Form“. Nicht die Rechtskonstruktion dürfe entscheidend sein, sondern die Frage, wer letztlich die Finanzverpflichtung trägt: „Es kommt darauf an, wer am Schluss die Rechnung zahlt“, sagte Pesendorfer.
Konkret gelten Schulden von Unternehmen nun auch bereits dann als Staatsschulden, wenn sich der Staat zur Bedienung der Schulden verpflichtet hat. Weiters gelten Schulden von Unternehmen auch dann als Staatsschulden, wenn der Staat für derartige Schulden haftet und solche Haftungen wiederholt in Anspruch genommen werden bzw. künftige Inanspruchnahmen sehr wahrscheinlich sind.
Eurostat konrtolliert genauer
Bisher wurden nur unmittelbare Verbindlichkeiten von staatlichen Einheiten wie Staatsanleihen und Bankkredite in den Maastricht-Schuldenstand eingerechnet. Die neuen Regeln sind laut Pesendorfer im Eurostat-Handbuch „Manual on government deficit and debt“ (MGDD) festgeschrieben, das im Herbst 2010 veröffentlicht wurde.
Ein Grund für die Verschärfungen der Regeln war laut Pesendorfer auch die Finanzkrise in Griechenland. Als Konsequenz wurde Eurostat auch mit stärkeren Prüfrechten ausgestattet, außerdem wurde das Personal der Behörde um das Dreifache aufgestockt. „Damit ist die Kontrolle durch Eurostat sehr viel dichter als vorher“, sagte der Generaldirektor.
Garantien für ÖBB und Krankenkassen
Betreffend die ÖBB hat sich der Bund im Jahr 2007 dazu verpflichtet, die aufgenommenen Schulden der ÖBB für Infrastrukturinvestitionen über die gesamte Laufzeit zu zumindest 70 Prozent zu übernehmen. Diese übernommenen Schulden sind nun entsprechend den neuen Regeln unmittelbar dem Staat zuzurechnen.
Bei den Krankenanstalten sind nun auch jene Schulden dem Staat zuzurechnen und defizitwirksam, die bisher außerbudgetär zur Finanzierung der Krankenanstalten aufgenommen wurden. Konkret geht es um Schulden, die die Krankenanstalten aufgenommen und für die sie eine Garantie der Bundesländer erhalten haben. Laut Pesendorfer ist klar, dass die Tilgung der Schuld letztlich wieder beim Land hängenbleiben wird, daher die Entscheidung, dass auch das der Staatsschuld zugerechnet wird.
Nicht einmal ganze „Bad Bank“ eingerechnet
Betroffen von der Entscheidung ist auch die KA Finanz AG - die „Bad Bank“ der Kommunalkredit Austria AG. Die KA Finanz wird zwar als Bankinstitut nicht dem Sektor Staat zugeordnet, daher sind auch die knapp 15 Mrd. Euro Schulden nicht defizitwirksam. Betroffen ist aber die Konstruktion des „Besserungsscheins“.
Die seit Herbst 2008 im staatlichen Eigentum stehende (neu gegründete) Kommunalkredit verzichtete im Jahr 2009 gegenüber der KA Finanz auf die Rückzahlung von Geldmarkteinlagen in der Höhe von einer Mrd. Euro - und zwar gegen Ausstellung eines Besserungsscheins. Diesem Besserungsschein zufolge leistet die KA Finanz an die Kommunalkredit Zahlungen aus künftigen Jahresüberschüssen (im Ausmaß des Verzichtsbetrages zuzüglich Zinsen). Dieser Besserungsschein ist gemäß den EU-Regeln als Schuldenübernahme des Bundes für die KA Finanz zu interpretieren. Defizitwirksam ist das nur 2010, und zwar im Ausmaß von einer Mrd. Euro, den Schuldenstand erhöht das 2010 ebenfalls um eine Mrd. Euro.
„Cash Collaterals“ ebenfalls eingerechnet
Auch die Schulden der Burgenland-Wohnbaudarlehen müssen den Staatsschulden zugerechnet werden, sind aber nicht defizitwirksam. Forderungen gegenüber Kreditnehmern von Wohnbaudarlehen wurden hier an eine ausgegliederte Gesellschaft namens Wohnbau Burgenland GmbH verkauft. Diese überwies dem Land 440 Mio. Euro und finanzierte das im Vorjahr über zwei Anleihen. Diese aufgenommenen Schulden sind nun unmittelbar als Schulden des Landes zu klassifizieren.
Außerdem werden auch jene Sicherheiten, die der Staat in Form von Bareinlagen bei Zinssicherungsgeschäften (Swaps) entgegennimmt („Cash Collaterals“) dem öffentlichen Schuldenstand zugerechnet, für 2010 bedeutet das eine Erhöhung des Schuldenstandes um 370 Mio. Euro.
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