Höchstes Defizit seit 15 Jahren
Österreich hatte 2010 ein so hohes Budgetdefizit wie seit 15 Jahren nicht mehr. Nach neuesten Berechnungen der Statistik Austria schnellte das Defizit durch Einbeziehung bisher ausgelagerter Schulden um mehr als ein Viertel nach oben. Damit lag es 2010 bei 4,6 Prozent des BIP, teilte die Statistik Austria am Donnerstag mit.
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Aufgrund der neuen strengeren Regeln der EU-Statistikbehörde Eurostat müssen bisher außerbudgetäre Verbindlichkeiten nachträglich dem heimischen Budgetdefizit zugerechnet werden.
Ein Prozentpunkt mehr
Für die Staatsschulden bedeutet die Revision der Daten einen zusätzlichen Anstieg um 9,5 Mrd. Euro. Mit Ende des Jahres 2010 betrug der Schuldenstand damit 205,2 Mrd. Euro bzw. 72,3 Prozent des BIP. Zuletzt war das Defizit im Jahr 1995 höher gelegen, und zwar bei 5,8 Prozent des BIP.
Aufgrund von strengen Eurostat-Vorschriften müssen Teile der ÖBB-Schulden, Verbindlichkeiten von Landeskrankenanstalten, ein eine Mrd. Euro schwerer Transfer für die „Bad Bank“ der Kommunalkredit (KA Finanz) sowie die Schulden der Wohnbau Burgenland GmbH den Staatsschulden zugerechnet werden.

ORF.at/Carina Kainz
Die Entwicklung des Budgetdefizits in den vergangenen Jahren (in Prozent)
Defizitwirksam (sowohl 2009 als auch 2010) werden die Aufwendungen für die ÖBB-Infrastrukturinvestitionen sowie jene für die Landeskrankenanstalten. Der Besserungsschein der Kommunalkredit wirkt sich zusätzlich auf das Defizit 2010 aus, das durch die verschärften statistischen Regeln mit 4,6 Prozent um einen Prozentpunkt höher ausfällt.
ÖBB größter Brocken
Das Budgetdefizit 2009 liegt durch die „Reklassifikationen“ (Anpassungen) nun bei 4,1 Prozent des BIP. Die Staatsverschuldung erhöht sich 2009 um 5,9 Mrd. bzw. 2,2 Prozent des BIP auf insgesamt 191 Mrd. Euro (69,6 Prozent des BIP). 2010 klettern die Schulden dank dieses Sondereffekts um stolze 9,5 Mrd. bzw. 3,4 Prozent des BIP auf 205,2 Mrd. Euro. Die Schuldenquote beträgt damit 72,3 Prozent des BIP. Die Maastricht-Grenze liegt bei 60 Prozent.
Der größte Brocken unter den neuen Schuldentreibern sind die ÖBB. Von den insgesamt 2,89 Mrd. Euro, um die sich das Defizit 2010 erhöht, entfallen 1,27 Mrd. auf die Bahn, eine Mrd. Euro auf die KA Finanz sowie 610 Mio. Euro auf die Krankenanstalten. Für 2009 werden 1,69 Mrd. Euro an Neuverschuldung dazugerechnet, 1,4 Mrd. davon für die ÖBB und 450 Mio. für die Krankenanstalten. 160 Mio. defizitentlastender Wirkung kommen aus sonstigen Revisionspunkten.
Schuldenberg wächst
Von 5,93 Mrd. Euro Zusatzschulden 2009 entfallen 3,58 Mrd. auf die ÖBB und 2,25 Mrd. Euro auf die Krankenanstalten. 2010 sieht es ähnlich aus, nur dass die Summen immer größer werden. Da beläuft sich die Zusatzschuld schon auf beachtliche 9,5 Mrd. Euro. Rund fünf Mrd. davon verursachen die ÖBB-Verbindlichkeiten, eine Mrd. die KA Finanz und fast drei Mrd. die ausgelagerten Schulden der Krankenanstalten der Länder, wobei hier zwei Länder hauptverantwortlich sind: die Steiermark und Kärnten.
Die besonders ausgefallene Schuldenauslagerung des Burgenlandes erhöht den Schuldenstand um 440 Mio. Euro. Das Burgenland hat Forderungen aus Wohnbaudarlehen an eine ausgegliederte Gesellschaft namens Wohnbau Burgenland GmbH verkauft. Diese überwies wiederum dem Land 440 Mio. Euro, die sie selbst über eine Schuldenaufnahme finanzierte. Das Land haftet für die Rückzahlung der Darlehen an die Wohnbau Burgenland GmbH.
Griechenland-Krise als Auslöser
Die statistischen „Reklassifikationen“, die infolge der strengeren Gangart bei statistischen Daten nach der Griechenland-Krise vorgenommen wurden, könnten bzw. hätten noch schlimmer ausfallen können. Es war nämlich im Gespräch, dass die gesamten Verbindlichkeiten von 15 Mrd. Euro der KA Finanz den Staatsschulden zugeschlagen würden. Das wurde vorerst verhindert. Schlagend wird nur ein Besserungsschein in Höhe von einer Mrd. Euro, den die im staatlichen Eigentum stehende Kommunalkredit Austria AG im Gegenzug auf den Verzicht gegenüber der KA Finanz auf die Rückzahlung von Geldmarkteinlagen gezeichnet hat.
Weiteres Ungemach könnte 2014 drohen, wenn neue EU-Regeln gelten, die derzeit in Verhandlung stehen. Dann könnten die ganzen ÖBB-Schulden von derzeit rund 20 Mrd. Euro den Staatsschulden zugerechnet werden. Dabei könnten diese bis dahin schon auf 24 Mrd. Euro angewachsen sein. Die Staatsschuldenquote würde sich in diesem Fall auf 80 Prozent des BIP erhöhen.
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