„Keine Kontrolle, wo er hingeht“
„Er muss gehen!“ US-Außenministerin Hillary Clinton hat am Dienstag die internationale Entschlossenheit bekräftigt, Libyens Staatschef Muammar Al-Gaddafi zum Rücktritt zu zwingen. Bei der Libyen-Konferenz in London berieten Delegationen aus rund 40 Ländern und Organisationen wie UNO, NATO und Arabische Liga über die Zukunft Libyens nach Al-Gaddafi - ohne Vertreter der libyschen Opposition.
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Über einen baldigen Waffenstillstand sind sich alle einig. Unklar ist aber, was mit Al-Gaddafi geschehen soll. Offenbar laufen informelle Bemühungen und Überlegungen, Al-Gaddafi ein Exilangebot zu unterbreiten. Obwohl offiziell etwa von den USA, Großbritannien und Frankreich ein Prozess gegen den Diktator vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angestrebt wird, gibt es von einigen westlichen Staaten Signale, Al-Gaddafi ziehen zu lassen.
Italien versucht offenbar, einen Zufluchtsort für Al-Gaddafi in Afrika zu finden. Es sei das Beste für Al-Gaddafi, wenn er zustimmt, ins Exil zu gehen, hieß es von einem italienischen Diplomaten. Allerdings könne ihn nur die Afrikanische Union davon überzeugen. Bis jetzt gebe es keine Andeutung, dass er bereit sei, Libyen zu verlassen. Einem Bericht des „Guardian“ zufolge deuteten die USA an, den Diktator bei der Flucht nicht hindern zu wollen.
Exil „rechtlich möglich“
Auch Spaniens Außenministerin Trinidad Jimenez folgte in einem Interview mit der Zeitung „El Pais“ (Dienstag-Ausgabe) dieser Ansicht. Es gebe bisher weder eine formale Anklage noch einen Haftbefehl gegen Al-Gaddafi. Es sei daher „rechtlich möglich“, Al-Gaddafi eine Zuflucht im Ausland zu ermöglichen.
Selbst der britische Außenminister William Hague, der sich für einen Prozess gegen Al-Gaddafi aussprach, wollte eine Exillösung nicht ausschließen: „Wir haben natürlich keine Kontrolle darüber, wo er hingeht“, sagte Hague gegenüber der BBC. „Ich habe nicht die Absicht, den Ruhesitz für Oberst Al-Gaddafi auszusuchen.“

AP/Stefan Rousseau, pool
David Cameron und Hillary Clinton bei der Libyen-Konferenz in London
Strafgerichtshof aktiv
Der Chefankläger des IStGH, Louis Moreno-Ocampo, hatte vergangene Woche angekündigt, bald mehrere Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen auszustellen. Seit Monatsbeginn ermittelt sein Team gegen Al-Gaddafi, drei seiner Söhne und weitere Vertraute des libyschen Machthabers.
Allerdings gab es laut einem „Guardian“-Bericht offenbar Signale von US-Seite, Al-Gaddafi möglicherweise ziehen zu lassen: „Ich kann nicht sagen, dass es aktive Bemühungen gibt, einen Platz für ihn zu finden, aber ich würde es nicht ausschließen“, sagte der US-Diplomat. Der IStGH sei bereit, den Fall zu verfolgen. Allerdings erkennen nicht alle Staaten die Gerichtsbarkeit des IStGH an.
Kämpfe bis UNO-Resolution erfüllt
Wenn es ausreichend militärischen Druck auf Al-Gaddafi gebe, werde er wahrscheinlich die Macht abgeben, sind sich der US- und NATO-Befehlshaber des Libyen-Einsatzes einig. Clinton betonte nach der Libyen-Konferenz in London, die Angriffe der Militärallianz fortzusetzen, bis „Al-Gaddafi komplett die Bedingungen der UNO-Resolution erfüllt“.
Al-Gaddafi müsse „seine Angriffe auf Zivilisten beenden, seine Truppen aus gewaltsam eingenommenen Orten abziehen und humanitäre Hilfe für alle Libyer zulassen“. Der britische Premierminister David Cameron stellte den „politischen Ansatz“ in den Mittelpunkt, um den Libyern zu helfen, „ihre Zukunft zu gestalten“.
Kontaktgruppe beschlossen
In London wurde die Einrichtung einer politischen Libyen-Kontaktgruppe beschlossen. Das nächste Treffen soll in Katar stattfinden. Diese Gruppe soll die internationalen Bemühungen zur Gestaltung der Zukunft in Libyen koordinieren, hieß es in der Abschlusserklärung.
Thema bei der Libyen-Konferenz waren auch humanitäre Probleme wie die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und Lebensmitteln. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bot der libyschen Opposition Hilfe bei der Demokratisierung und beim Wiederaufbau des Landes an.
Opposition fordert Waffen
Darüber hinaus baten Vertreter des Übergangsrats Waffenlieferungen von der internationalen Gemeinschaft. Derzeit seien die Rebellen mit veralteten und leichten Waffen den Truppen Al-Gaddafis unterlegen. Schon zuvor hatte die US-Botschafterin bei der UNO, Susan Rice, nicht ausgeschlossen, dass die USA die Rebellen bewaffnen könnte. Dafür müsste aber eine neue UNO-Resolution erarbeitet werden, hieß es vonseiten eines italienischen Diplomaten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Frankreich signalisierte Bereitschaft, mit den Alliierten über Waffenlieferungen an die Rebellen in Libyen zu sprechen.
Für Clinton ist eine Bewaffnung der Opposition durch die UNO-Resolution 1973 nicht ausgeschlossen. Es sei aber nicht darüber gesprochen worden. Zudem fehlten noch Informationen über die libysche Opposition: „Wir lernen sie gerade erst kennen.“ Zuletzt waren Gerüchte aufgekommen, dass sich unter die Rebellen auch terroristische Kräfte gemischt haben könnten.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen widerspricht Clinton und wies die Forderung nach Waffenlieferungen an die Rebellen in Libyen strikt zurück. Der unter Führung der transatlantischen Militärallianz stehende Libyen-Einsatz solle „die Bevölkerung schützen und nicht bewaffnen“.
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