Die Kolonialisierung des Alls
In der öffentlichen Debatte spielt der mythenbeladene Weltraum keine so große Rolle mehr wie noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Aber die Populärkultur und die Kunst beschäftigen sich nach wie vor mit den „unendlichen Weiten“ als Flucht- und Sehnsuchtsort mit symbolischer Aufladung. Die Kunsthalle Wien begibt sich mit der Ausstellung „Weltraum. Die Kunst und ein Traum“ in den Outer Space.
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„The Sweet Spring“ von Jen Liu
Die Ausstellung hat das Zeug zum Publikumsrenner - zumindest, wenn man die Nostalgie-Bereitschaft der Besucher die eigene Kindheit betreffend nicht überschätzt. 50 Jahre Weltraum als Thema für die Kunst und als Popphänomen deckt die Schau ab, insgesamt werden 51 künstlerische Positionen aus 18 Nationen gezeigt. Von der Barbie-Puppe bis zur Videokunst, von Andy Warhol bis zu aktuellen, ironisierenden Statements und „Mr Spock“ fehlt nichts, was man mit dem All assoziiert und aus Film, TV, Comics, Büchern und der Wissenschaft kennt.
Von Kosmo- und Astronauten
Den Zeitpunkt für die Ausstellung hat nicht zuletzt ein denkwürdiger Jahrestag vorgegeben. Am 12. April vor genau 50 Jahren fand der erste bemannte Weltraumflug statt. Der Kosmonaut Juri Gagarin hob für Russland ab - die westliche Welt war geschockt. Erst 1969 gelang die Genugtuung, als Neil Armstrong für die USA als erster Mensch den Mond betrat. Beiden Ereignissen wird in der Ausstellung Raum gegeben.
Die amerikanische Künstlerin Eve Sussman & Rufus Corporation zeigt eine exakte Replik von Gagarins Büro und inszeniert es als Filmset - der doppelte Boden soll die sakrale Aufladung des Orts hinterfragen. Denn das Originalbüro ist bis heute ein Wallfahrtsort für Weltraumbegeisterte und Sowjet-Nostalgiker gleichermaßen.

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„Yuri’s Office“ von Eve Sussman & Rufus Corporation
Ein großer Schritt ...
Auf der anderen Seite ist ein Bild Warhols zu sehen, der den „Mann auf dem Mond“, Neil Armstrong, noch weiter überhöht, als er ohnehin schon durch die TV-Übertragung überhöht worden war, indem er bei dessen Bild gewohnt „popig“ den Kontrast und die Farbsättigung hochdreht und dann noch kräftig nachkoloriert.
Armstrong auf dem Mond - das ist Pop in Reinkultur, das sind definitiv mehr als Warhols oft zitierte „15 Minutes of Fame“ - das Bild ist so inflationär wie die Campbell-Suppendose und damals tief in den Alltag der Menschen eingedrungen: als Propagandaposter der US-Politik und als Ikone des Fortschrittsglaubens schlechthin.

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„The Crawler“ von Tom Sachs
Bubentraum ...
Generationen an Kindern wollten danach Raumfahrer werden - im Osten wegen Gagarin, im Westen wegen Armstrong. Auch diesem kindlichen Wunschtraum wird in der Ausstellung Ausdruck verliehen. Dubossarsky & Vinogradov etwa haben Barbie in ein Kosmonauten-Outfit gesteckt, sie blickt verzückt nach oben. Das Motiv wurde auch für das Plakat der Ausstellung verwendet. „Star Trek“ ist selbstverständlich auch dabei, genauso wie Aliens und Werke, die sich mit der Faszination Schwerelosigkeit auseinandersetzen.
Die ersten Helden des Outer Space waren Männer - und der Traum vom Astronauten war nicht nur, aber hauptsächlich ein Bubentraum. Den Weltraum galt es also aus weiblicher Perspektive symbolisch (und auch konkret) zurückzuerobern. In technoide Räume drangen Ende der 90er Jahre feministische Theoretikerinnen und Künstlerinnen wie Donna Haraway mit ihren „Cyborgs“ ein („cyberfeministische“ Manifeste für das späte 20. und dann von einer anderen Gruppe für das 21. Jahrhundert). Die Cyborgs fanden auch den Weg ins All - etwa in Mariko Moris’ Selbstdarstellung als schwebender 3-D-Cyborg im Weltraum.
... ausgeträumt?
Wie das Kuratorenteam in seinem Vorwort zum Katalog schreibt, wird vor allem seit Ende des Kalten Krieges das Konzept der Kolonialisierung des Weltraums als solches hinterfragt. Wozu der Aufwand, wenn das Wettrüsten seinen Sinn verloren hat? Tatsächlich werden immer mehr ambitionierte Programme selbst von der NASA nach hinten verschoben oder sogar ganz abgesagt.
Kommt uns der Outer Space als Fluchtpunkt für eine Zukunft, die von zerstörtet Umwelt - Stichwort Japan - und Überbevölkerung geprägt sein könnte, abhanden? Zu Fragen wie diesen kommen auch junge Künstler mit zahlreichen Werken in der Ausstellung zu Wort.
Ausstellungshinweis
Weltraum. Die Kunst und ein Traum, von 1. April bis 15. August, Kunsthalle Wien, MuseumsQuartier Wien; täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (320 Seiten) erschienen.
Außerirdische Songs
Wer einen kleinen, zugegeben willkürlichen (David Bowie fehlt) aber fein zusammengestellten Überblick über Songs haben möchte, die sich dem Thema Weltraum widmen, dem oder der sei auf YouTube die Space Playlist empfohlen. Von Frank Sinatra über Kraftwerk und den B52s bis hin zu Smog, Joanna Newsom und MGMT wird gute Unterhaltung geboten, die ein Gefühl vermittelt für den symbolischen Raum „Outer Space“ - die ideale Vorbereitung für die Ausstellung. Beam me up, Scotty.
Simon Hadler, ORF.at
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