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Lebensmittel in Misrata werden knapp

Mit neuen Luftschlägen setzt das internationale Militärbündnis Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi immer stärker unter Druck. Im Süden der Hauptstadt Tripolis wurden am Freitag erneut Ziele des Regimes attackiert. Dennoch gehen die Kämpfe auf dem Boden weiter. Die NATO rechnet mit einem mindestens dreimonatigen Einsatz.

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Donnerstagnacht fiel die Entscheidung, die Militäraktion in Libyen unter das Kommando der NATO zu stellen. Damit hört die westliche Allianz, die bisher unter der Führung der USA, Großbritanniens und Frankreichs die Einhaltung einer Flugverbotszone kontrollierte, de facto zu bestehen auf. Neben der Überwachung der Flugverbotszone will die NATO schon in wenigen Tagen den gesamten Militäreinsatz in Libyen leiten.

Dazu gehören auch Angriffe auf Stellungen von regimetreuen Truppen, um sie am Vormarsch auf Rebellenhochburgen wie Bengasi und Misrata zu hindern. Der Planungszeitraum für die Einsätze umfasse 90 Tage, könne aber falls notwendig auch verkürzt oder ausgedehnt werden, sagte ein NATO-Beamter gegenüber Reuters. Auch der Chef des französischen Truppen in Libyen, Admiral Edouard Guillaud, sagte am Freitag im Rundfunksender France Info, der Militäreinsatz könnte sich noch Wochen hinziehen. Er „hoffe“ jedoch, dass es keine Monate werden.

Rebelle bewacht Gaddafi-Treue in einem Gefängnis in Benghazi

Reuters/Suhaib Salem

Ein Rebell bewacht Al-Gaddafi-Soldaten in einem Gefängnis in Bengasi.

Auch Allianz kann weiter Einsätze fliegen

Des Weiteren bleiben die Mitglieder der bisherigen Koalition gegen Al-Gaddafi - Frankreich, Großbritannien und die USA - in engem Kontakt mit den NATO-Strategen und können auch unabhängig davon Ziele bombardieren. „Wir haben die Verantwortung für die Flugverbotszone übernommen, während die Koalition ihre Aktivitäten fortsetzt“, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel.

Afrikanische Union berät über Reformen

Unterdessen verliert Al-Gaddafi zunehmend auch die Unterstützung anderer afrikanischer Staaten. So kündigte nach Tunesien laut BBC-Blog auch Uganda an, libysches Geld einfrieren zu wollen. Die Afrikanische Union rief am Freitag Libyen dazu auf, eine Übergangsperiode zu schaffen, um demokratische Wahlen vorbereiten zu können. Derzeit berät eine libysche Regierungsdelegation mit fünf afrikanischen Staatsoberhäuptern in Äthiopien über mögliche Reformen in Nordafrika. Vertreter der libyschen Rebellen sind dort jedoch nicht anwesend.

Explosionen vor Tripolis

Am Freitag gingen die Angriffe der westlichen Allianz unterdessen ungebrochen weiter. Offenbar gab es auch neue Schläge gegen Stellungen um die Hauptstadt Tripolis. „Mehrere zivile und militärische Einrichtungen in Tripolis“ seien bombardiert worden, sagte ein libyscher Militärsprecher, ohne Einzelheiten zu nennen. Der US-Sender CNN berichtete, Kampfjets hätten Stellungen in den Außenbezirken von Tripolis bombardiert. Kurzfristig habe es Gegenfeuer der Luftabwehr gegeben, das dann aber wieder aufgehört habe.

„Sie töten jeden Tag Menschen“

In der seit 35 Tagen heftig umkämpften Stadt Misrata wird die Situation für die Bevölkerung langsam unerträglich. „Sie die Regimetruppen, Anm.) verhindern, dass Lebensmittel in die Stadt kommen, sie haben das Wasser abgedreht, sie schneiden uns von allem ab. Und sie töten jeden Tag Menschen mit Panzern und Scharfschützen. Wirklich, wir sehen bisher keine Verbesserung durch die NATO-Luftangriffe“, zitierte die BBC einen Mann aus der umkämpften Stadt.

Rebellen im Kampfeinsatz

Reuters/Goran Tomasevic

Rebellen suchen Deckung in einem Straßengraben.

Zivile Opfer nicht auszuschließen

Bei den Luftangriffen wurden nach Angaben des libyschen Gesundheitsministeriums mindestens 114 Menschen getötet. Allein zwischen Sonntag und Mittwoch seien 114 Menschen getötet und 445 weitere verletzt worden, sagte ein Ministeriumsverantwortlicher am Freitagabend in Tripolis. Bei wie vielen Opfern es sich um Zivilisten handelte, sagte der Verantwortliche nicht.

Den Angaben zufolge starben in Tripolis und in den Vororten der Hauptstadt 104 Menschen. In Al-Gaddafis Geburtsstadt Sirte seien zehn Menschen getötet worden. Der britische Außenminister William Hague hatte zuvor gemeint, es lägen keine Beweise dafür vor, dass es Opfer unter der Zivilbevölkerung durch Luftangriffe der internationalen Militärkoalition gegeben habe.

Libyschen Staatsmedien zufolge war am Vortag eine nicht näher genannte Zahl von Menschen bei Luftangriffen auf Tadschura östlich von Tripolis getötet worden. Oppositionsmedien hielten dem allerdings entgegen, bei den Getöteten handle es sich um Regimegegner, die von regimetreuen Milizen ermordet worden seien. Tadschura war vor Wochen ein Brennpunkt der Proteste gegen das Regime gewesen. Die Sicherheitskräfte hatten die Proteste mit Waffengewalt unterdrückt.

Rebellen bauen Verteidigung aus

In Bengasi, der Hochburg der Regimegegner im Osten des Landes, gingen die Bemühungen um den Aufbau eigener schlagkräftiger Milizen weiter. Der arabische Nachrichtensender al-Arabija zeigte am Freitag ein Militärlager, in dem junge Männer an der Waffe ausgebildet werden. Der Nationalrat, das Gegenparlament der Al-Gaddafi-Gegner, hatte früher erklärt, dass die Regimegegner über rund 1.000 Mann mit militärischer Ausbildung verfügen.

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