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Political Correctness ist kein Thema

Arman T. Riahis Doku beleuchtet das Leben junger Migranten in Wien, ihr Heranwachsen und die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Hauptfigur ist der Rapper Nazar, der als Kind mit seiner Familie aus dem Iran geflohen und damals im Wiener Sozialbau gelandet ist.

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Ob die Kids in „Schwarzkopf“ wissen, dass es in Wien eine Fachabteilung der Stadt für Integration und Diversität gibt? Vermutlich nicht und wenn, dann würde sie das wahrscheinlich nur ein schiefes Lachen kosten. Wenn man als Kind von Zuwanderern in den Gemeindebauten von Favoriten, Donaustadt oder Rudolfsheim-Fünfhaus aufwächst, ist Political Correctness kein besonders großes Thema.

Zwei Jugendliche stehen mit dem Rücken zur Kamera und reden mit Zuschauern im Hof eines Gemeindebaus

Golden Girls Filmproduktion

Schwieriges Aufwachsen im Wiener Sozialbau

Der Film beginnt mit der Entlassung Nazars aus dem Gefängnis, und obwohl der 26-Jährige gerade fünf Wochen U-Haft hinter sich hat, gilt er in seinem Umfeld als einer, der es geschafft hat. Im Handel findet man seine CDs neben dem deutschen Skandalrapper Bushido, mit dem er jedoch nicht verglichen werden will.

„Die Medien brauchen immer eine Schublade, in die sie dich stecken können“, meint Nazar dazu. Mit dem Schubladendenken ihrer Umwelt sind die „Schwarzköpfe“, wie sich die männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund selbst nennen, tagtäglich konfrontiert. Ihr Herz gehört dem Hip-Hop, doch ihr Leben ist ein permanenter Spießrutenlauf zwischen AMS, Basketball-Käfig und Ausweiskontrollen.

Rauer Umgangston

Zu lachen gibt es nicht viel in diesem Leben. Die Kindheit auf der Straße vergisst man nicht, daran ändert auch ein Nummer-eins-Hit in den Charts nichts, wie Nazar weiß. Mit großer Ernsthaftigkeit treffen sich die jungen Rapper und motivieren sich gegenseitig beim Texten und Songschreiben: „Der Text ist Wahnsinn. Respekt, Oida.“ Der Umgangston ist rau, auch um ein bestimmtes Image zu pflegen.

Rapper Nazar winkt nach seinem Auftritt dem Publikum zu

Golden Girls Filmproduktion

„Wenn du so aufgewachsen bist wie ich, ist es nur eine Frage der Zeit, bis du Probleme mit der Polizei bekommst.“

Ständig nennen sich die Freunde gegenseitig „Behinderter, Missgeburt und Depperter“, „ficken oder gefickt werden“ ist die omnipräsente Frage. Geredet wird sonst nicht viel. Schon gar nicht über Gefühle. Die werden in Raps umgewandelt, ein Prozess, der sehr wohl als Selbsttherapie erkannt wird. „Wenn ich Texte schreibe, kann ich mich von den Sachen, die in meinem Kopf herumgehen, lösen. Ich kann mich sozusagen davon befreien“, sagt der 16-jährige Stefan aus Serbien.

„Nowhere Boys“

Werden die Jugendlichen in „Schwarzkopf“ nach ihrer Heimat gefragt, fällt vielen keine spontane Antwort ein - sie sind „Nowhere Boys“. Die meisten sind in Österreich geboren, fühlen sich hier aber nicht zu Hause, weil sie ständig mit Vorurteilen konfrontiert sind. Nazar erzählt, wie er bei einer Polizeikontrolle nach seiner Herkunft gefragt wurde.

Auf die Antwort „Österreich“ habe der Polizist gesagt: „Nein, Depperter. Wenn du in den Spiegel schaust, wonach schaust du dann aus?“ Auch die anderen können davon ein Lied singen: „Wenn jemand zu mir sagt, ich soll zurück nach Jugo gehen, hab ich das nie verstanden. Ich bin ja nicht von dort gekommen.“

Hommage an die Kindheit

Regisseur Riahi, der selbst im Iran geboren und in Wien aufgewachsen ist, hat schon als Schüler Kurzfilme gedreht. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Arash, der heute ebenfalls ein erfolgreicher Regisseur ist, hat er als Kind viel Zeit auf der Straße und in Parks verbracht, allerdings stets unter den wachsamen Augen seiner Eltern, wie er betont. „Mir war es wichtig, das Lebensgefühl meiner Protagonisten einzufangen, daher sehe ich den Film auch als Hommage an meine eigene Kindheit und die scheinbar unendlich langen Wiener Sommer meiner Jugend.“

Perspektive: Nahaufnahme

Verschnaufpause gibt es in Riahis Film keine. Die Kamera hält erbarmungslos drauf, auch wenn es den Protagonisten schon zu viel wird. Wenn Nazar etwa erfährt, dass sein Album drei Wochen vor dem Release schon gratis zum Download im Internet steht, fängt der Kameramann die Emotionen, die Enttäuschung auf, bis ihm buchstäblich die Tür vor der Nase zugeknallt wird. Nahaufnahmen, schnelle Schnitte, verwackelte Rückblenden – die Optik des Films erinnert an Musikvideos der 1990er Jahre, jedoch ohne Weichzeichner.

Über Poesie

Riahi reiht sich ein in die Gruppe junger österreichischer Dokumentarfilmer wie Nina Kusturica („Little Alien“, 2009), Katharina Weingartner („Sneaker Stories“, 2008) und Markus Wailand („Here to stay“, 2008), die sich mit den Themen Jugendkultur, Integration und Authentizität auseinandersetzen. Diese Filmemacher wollen Zwischentöne treffen, Vielfalt porträtieren und Probleme aufzeigen, ohne sich in Schuldzuweisungen zu verlieren.

Im Fall von „Schwarzkopf“ formuliert es der Regisseur so: „Es ist ein Film über die alltägliche und kindliche Poesie im Leben von einfachen Jugendlichen, die gerne übersehen und verkannt wird.“

Sonia Neufeld, ORF.at

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