Mehr als doppelt so hoch
Die zwei beschädigten Atomkraftwerke in Fukushima sind nach Angaben des Betreibers von einer 14 Meter hohen Flutwelle getroffen worden. Das sei mehr als doppelt so hoch, wie Experten bei der Planung der Anlagen erwartet hatten, berichtete der Fernsehsender NHK unter Berufung auf den Betreiber Tokyo Electric Power Company (TEPCO) am Dienstag.
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Das Unternehmen hatte demnach die Wände der beschädigten Kraftwerke Fukushima I und II am Montag untersucht. Nach Angaben von TEPCO sei Fukushima I auf einen Tsunami von 5,70 Metern ausgelegt worden, Fukushima II für eine Höhe von 5,20 Metern. Die Gebäude mit den Reaktoren und Turbinen wurden nach NHK-Angaben zehn bis 13 Meter über dem Meeresspiegel errichtet. Bei der Katastrophe wurden sie teilweise überschwemmt. Dabei dürfte TEPCO mit der 14-Meter-Welle noch Glück im Unglück gehabt haben. Andernorts erreichte die Tsunami-Welle nach jüngsten Angaben eine Höhe rund 23 Metern.
TEPCO hatte bereits zugegeben, dass die Kraftwerke nur für ein Beben der Stärke 8,0 bis 8,3 ausgelegt waren. Das Erdbeben am 11. März hatte aber die Stärke 9,0. Auch wurden teilweise Kontrollen nicht durchgeführt, wie TEPCO am Montag eingestand.
Aufregung über Drohung gegen Feuerwehrleute
In Japans Regierung herrscht derweil Unmut über eine angeblich von einem Minister ausgesprochene Drohung gegenüber in Fukushima I arbeitenden Feuerwehrmännern. Tokios Gouverneur Shintaro Ishihara sagte japanischen Medien am Montag, ein nicht näher bezeichneter Minister habe den Einsatzleuten befohlen, „sofort an die Arbeit zu gehen, sonst würden sie bestraft“. „Er wusste nicht einmal, wie die Lage an Ort und Stelle für die Arbeiter war und welche Kapazitäten sie hatten“, sagte Ishihara.
Er habe sich darüber bei Regierungschef Naoto Kan beschwert, sagte Tokios Gouverneur. Dieser habe sich bei ihm für das Verhalten des Ministers entschuldigt. „Es tat ihm sehr leid.“
Armee soll nun jeden Tag messen
Die Armee soll nun täglich über das havarierte Atomkraftwerk Fukushima I fliegen, um in der Anlage die Temperatur zu messen. Das sagte Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa nach Angaben des Fernsehsenders NHK am Dienstag. Bisher hätten die Messflüge zweimal in der Woche stattgefunden.
TEPCO entschuldigte sich unterdessen bei Flüchtlingen aus der Region Fukushima. Norio Tsuzumi, ein Mitglied der Unternehmensspitze, sagte am Dienstag bei einem Besuch in einem Notlager: „Es tut uns leid, dass wir Ihnen so viel Mühe bereitet haben.“ Das meldete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstagabend (Ortszeit).
Lage im AKW „äußerst angespannt“
Fortgesetzte Hitzeentwicklung erschwert weiterhin die Bemühungen der Behörden, Fukushima I unter Kontrolle zu bringen. Die Lage dort bleibe „äußerst angespannt“, sagte Industrieminister Banri Kaieda am Dienstag. „Es ist nach meinem Gefühl schwierig, von Fortschritten zu sprechen“, fügte der auch für die Atomaufsicht zuständige Minister nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo hinzu.
Alle sechs Reaktoren sind seit Dienstag wieder an die Stromversorgung angeschlossen. Zuletzt wurde eine Leitung zu den Reaktoren 3 und 4 gelegt, wie die japanische Atomaufsicht mitteilte. Der Rauch, der auch am Dienstag wieder über Reaktor 3 aufstieg, könnte nach Angaben von Kitazawa von brennenden Trümmerteilen stammen. Bei weißem Dampf über Reaktor 2 handle es sich hingegen um erhitztes Wasser.
„Haben entschieden weiterzuarbeiten“
Die Einsatzkräfte und Arbeiter waren bereits am Montagabend in Sicherheit gebracht worden, um sie nicht noch stärker zu gefährden. Am Dienstag wurden die Arbeiten zur Wiederherstellung der Stromversorgung für die Reaktortechnik nach zehn Stunden wieder aufgenommen, wie der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde (NISA), Hidehiko Nishiyama, bei einer Pressekonferenz in Tokio erläuterte. Der ausgetretene Dampf sei ungefährlich gewesen, teilte TEPCO am Dienstag mit. „Wir haben entschieden, dass es sicher ist weiterzuarbeiten“, sagte ein Sprecher.
Die Behörden hoffen, dass diese Arbeiten in Block 2 bis Mittwoch abgeschlossen werden können. Sollten dabei unerwartete Defekte bemerkt werden, könne sich das aber auch verzögern, sagte Nishiyama. Neben Reaktor 2 ist auch die Stromversorgung von Reaktor 1 wieder möglich. Ziel ist es, die Beleuchtung in den Kontrollräumen wiederherzustellen und die reguläre Kühlung der Anlagen in Gang zu bringen.
Wasserfontänen auch in den nächsten Tagen
Auch zu den Reaktoren 3 und 4 sei eine Stromleitung verlegt worden, sagte der Behördensprecher. Sobald sichergestellt sei, dass die Technik unversehrt ist, werde auch dort mit den elektrischen Anschlussarbeiten begonnen. Bei dem weniger kritischen Reaktorblock 6 läuft die Stromversorgung nach Angaben Nishiyamas über einen Notstromgenerator mit Diesel. Dieser soll demnächst ebenfalls durch eine Leitung von außen ersetzt werden.
Die Reaktorblöcke sollen in den nächsten Tagen erneut mit Wasser besprüht werden, um eine Überhitzung zu vermeiden. Aufgrund der Nachwärme in den Reaktoren verdampfe das bisher zugeführte Wasser, so dass eine Fortsetzung des Einsatzes von Pumpen und Wasserwerfern erforderlich sei, sagte Nishiyama.
TV Hinweis
Das „Weltjournal“ widmet sich am Mittwoch um 22.30 in ORF2 dem „Alptraum Atommüll“ und der Frage, ob es eine sichere Endlagerung für radioaktiven Abfall überhaupt geben kann – mehr dazu in tv.ORF.at
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