Stromsparaufruf hat gewirkt
Licht und TV aus: Mit individuellem Stromsparen haben Millionen von Haushalten im Großraum Tokio einen drohenden Kollaps bei der Energieversorgung abgewendet. Am Donnerstag sei es nur zu vorübergehenden Stromabschaltungen und nicht zum befürchteten totalen Blackout gekommen, teilte der Energieversorger TEPCO mit.
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Dem Blackout entgingen die Japaner aber nur knapp: Der Verbrauch lag in Spitzenzeiten bei 33,3 Millionen Kilowatt bei einer Einspeisung von 33,5 Millionen Kilowatt. Die 35 Millionen Menschen in der Regio Tokio waren zum Stromsparen aufgerufen worden, um die Verbrauchsspitze am Abend zu überstehen. Bereits tagsüber hatte die Eisenbahn den Zugsverkehr im Ballungsraum eingeschränkt. Als Folge des Erdbebens vom vergangenen Freitag sind zahlreiche Atomkraftwerke in den betroffenen Regionen vom Netz genommen worden.
Laut Angaben des größten Energielieferanten des Landes, TEPCO, des Betreibers des Unglücks-AKW Fukushima I, wird es noch in den nächsten Wochen zu partiellen Abschaltungen kommen. Betroffen sind laut Angaben von TEPCO im Großraum von Tokio rund 2,9 Millionen Menschen. Man wolle aber versuchen, den öffentlichen Verkehr möglichst aufrechtzuerhalten, erklärte das Unternehmen auf seiner Website.

APA/EPA/Everett Kennedy Brown
Vorsorglich werden massenhaft Batterien und Taschenlampen gekauft.
Bankomaten abgestürzt
Zur Verunsicherung trug am Donnerstag auch bei, dass im ganzen Land die Bankomaten nicht mehr funktionierten. Massenabhebungen sollen die rund 5.600 Geräte zum Absturz gebracht haben, teilte das japanische Geldhaus Mizuho mit. Auch das Onlinebanking sei zweimal ausgefallen.
Derzeit keine Gefahr von radioaktiver Wolke
Trotz der angekündigten Ausfälle ist die Lage in der Großstadt entspannt. Die Menschen gehen weiter zur Arbeit und haben sich so gut wie möglich auf die Probleme im Zugsverkehr eingestellt. In den Supermärkten fehlt es zwar an Dingen wie Eiern, Milch und Hygieneartikeln, doch von einem Lebensmittelmangel ist nicht die Rede. In den letzten Tagen waren die Menschen vor allem wegen einer möglichen radioaktiven Wolke aus dem 250 Kilometer entfernten Atommeiler Fukushima I angespannt.

Graphi-Ogre (Montage)
Doch in den vergangenen Tagen war die Wetterlage für die Bevölkerung günstig. Der Wind wehte die möglicherweise radioaktive Luft größtenteils auf den Pazifischen Ozean hinaus. Laut Berechnungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien sind derzeit jedenfalls keine bewohnten Gebiete gefährdet, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung.
Lebensmittel werden getestet
Um die Sorgen der Bevölkerung zu zerstreuen, hat die japanische Regierung erstmals Grenzwerte zur Strahlenbelastung für im Inland hergestellte Lebensmittel festsetzt, sagte ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums am Donnerstag. Die Grenzwerte stünden in Einklang mit Richtlinien, die bereits vor dem AKW-Unglück festgesetzt worden waren. Sie unterscheiden sich den Angaben zufolge je nach Lebensmittel und orientieren sich an international anerkannten Werten.
Rund 70 Österreicher überlegen Ausreise
Dennoch verlassen immer mehr Menschen, allen voran Ausländer, die Stadt. Zuletzt forderte Hongkong seine Bürger in Japan auf, Tokio so schnell wie möglich zu verlassen und in die südlicheren Gebiete des Landes auszuweichen. Die Fluggesellschaft Cathay Pacific Airways werde außerdem mit zwei zusätzlichen Flügen Bürger Hongkongs nach Hause bringen. Immer mehr Firmen verlegen ihre Büros in weiter von Fukushima I entfernte Städte. Ausländische Mitarbeiter verlassen das Land oft ganz.

Reuters/Issei Kato
Gedränge auf dem Flughafen von Tokio
Derzeit gebe es auch 50 bis 70 ausreisewillige Österreicher, die in Japan ihren Lebensmittelpunkt haben, sagte am Donnerstag der Sprecher des Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal, der APA. Etwa die Hälfte besitzt bereits ein Flugticket. Die von Tokio nach Osaka übersiedelte Botschaft stehe mit über 100 Österreichern laufend in Kontakt, sagte der Ministeriumssprecher. Die rund 70 im Großraum von Tokio und östlich davon lebenden Ausreisewilligen versuchten, so lange wie möglich in Japan zu bleiben.
Auch Korrespondenten ziehen ab
Viele deutsche Medien zogen ihre Korrespondenten aus Tokio ab. Erst am Donnerstag kündigte das ARD-Korrespondententeam an, die Berichterstattung aus dem südlicher gelegenen Osaka fortzusetzen - Video dazu in iptv.ORF.at.
Auch die österreichische Botschaft wurde mittlerweile von Tokio nach Osaka verlegt. „Die logistische Unterstützung bleibt aber in gleicher Form aufrecht“, so Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal. In Osaka sei bereits vor einigen Tagen in dem dortigen Konsulat ein „zweites Standbein“ aufgebaut worden. Das Japan-Büro der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) wurde in das südliche Fukuoka verlegt, 1.000 Kilometer von Tokio entfernt.
Flugzeuge nicht verstrahlt
Maschinen, die aus Tokio nach Europa zurückkehren, werden routinemäßig auf Strahlung untersucht. Bisher wurde keine erhöhte Radioaktivität festgestellt, wie der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport am Donnerstag erklärte. Die AUA kündigte am Donnerstag an, dass sie Tokio weiterhin anfliegen werde. Flugzeug, Besatzung und Fluggäste werden ebenfalls auf erhöhte Strahlenbelastung überprüft - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Notunterkünfte hoffnungslos überfüllt
In den Bebengebieten verschärfte sich die Lage unterdessen weiter. Am Donnerstag mussten weitere 28.000 Menschen in der Präfektur Fukushima ihre Häuser verlassen. Viele Notunterkünfte in der Region seien aber schon zu voll, um neue Atomflüchtlinge aufzunehmen. Deshalb würden die Menschen jetzt auch auf umliegende Präfekturen verteilt. Die Zahl der bestätigten Toten wurde am Donnerstag mit 5.692 angegeben, immer noch werden offiziell rund 9.500 Menschen vermisst. Die tatsächliche Opferzahl dürfte Berichten zufolge aber weitaus höher sein.
Japans Behörden wächst unterdessen die Hilfskoordination langsam über den Kopf. Am Donnerstag erging die Bitte an die EU-Länder, ihre Hilfsangebote untereinander abzustimmen, wie die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgijewa erklärte. Die japanischen Stellen wollen sich demnach nicht noch zusätzlich dadurch belasten, dass sie die Logistik für die ausländische Hilfe aus einer Vielzahl von Staaten übernehmen.
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