Sicherheitstests angekündigt
China will aufgrund der Atomkatastrophe in Japan vorerst keine neuen Atomkraftwerke genehmigen. Alle bestehenden und in Bau befindlichen Reaktoren würden zudem umfassenden Sicherheitstests unterzogen, kündigte die chinesische Regierung am Mittwoch an.
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„Wir werden den Genehmigungsprozess für alle atomaren Energieprojekte vorübergehend aussetzen, auch für solche, die sich noch in einem frühen Stadium befinden“, erklärte der Staatsrat. Die Ankündigung war bisher das klarste Zeichen, dass die Katastrophe in Japan den ambitionierten Ausbau der Atomenergie in China zumindest verlangsamt. Man müsse vor allem die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sicherheit der Atomkraftwerke in den Mittelpunkt stellen.
Beim Bau von AKWs habe Sicherheit die höchste Priorität, hieß es in der Erklärung des Staatsrats, dessen Vorsitz Regierungschef Wen Jiabao innehat. Nur die fortgeschrittenste Technologie solle für die AKWs verwendet werden, so der Staatsrat weiter. Jede mögliche Gefahr solle analysiert werden. Sollte ein Atomkraftwerk nicht diesen Standards entsprechen, werde der Bau sofort eingestellt.
So viele AKWs in Bau wie nirgendwo sonst
Doch die Chancen für eine absolute Abkehr von der Atomkraft scheinen auch in China gering. Nirgendwo in der Welt werden derzeit so viele Kernkraftwerke gebaut wie dort. In den kommenden zehn Jahren sollen die Kapazitäten verachtfacht werden. Kurz vor der Katastrophe in Japan hatte der Volkskongress grünes Licht für ambitionierte Pläne zum Ausbau der Kernenergie gegeben. Der neue Fünfjahresplan wurde angenommen. Die Entwicklung der Atomkraft in den Küstenprovinzen werde „beschleunigt“, heißt es in dem Plan. Auch in den zentralen Provinzen werde die Nutzung der Kernenergie „beständig vorangetrieben“.
Nicht genug Atomexperten?
In China sind derzeit 13 Atomreaktoren mit einer Kapazität von 10,8 Gigawatt im Betrieb. Bis 2020 sollten diese Kapazitäten auf 86 Gigawatt verachtfacht werden. 28 Kernreaktoren sind zurzeit in Bau, weitere 50 befinden sich in konkreter Planung. Bis 2015 sollte nach dem Fünfjahresplan mit dem Bau von 40 Gigawatt an Kapazitäten begonnen werden.
Hinter den Kulissen dürfte es allerdings in den letzten Monaten in Sachen AKW-Neubauten gegärt haben. Regierungsvertreter hatten nämlich vor den ehrgeizigen Ausbauplänen gewarnt: Das Land habe nicht genug Atomexperten, um die geplante Anzahl neuer Reaktoren sicher betreiben zu können.
Enormer Energiebedarf
Peking sieht in der Atomenergie das einzige Mittel, um die Abhängigkeit der einheimischen Wirtschaft von fossilen Brennstoffen spürbar zu verringern. Die zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt, die zwei Drittel ihrer Energie aus Kohle bezieht und die Treibhausgase reduzieren will, braucht den Strom.
Das Land hat aufgrund seines Wirtschaftswachstums einen enormen Energiebedarf. „40 Gigawatt in fünf Jahren sind nicht zu viel“, so der frühere Direktor des Energieinstituts der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), Zhou Dadi, gegenüber der dpa. Im Moment seien 20 bis 30 Gigawatt an Kapazitäten in Bau. „Wir könnten eine Baugeschwindigkeit von zehn Gigawatt im Jahr erreichen.“
„Lehren aus Fukushima ziehen“
Vizeumweltminister Zhang Lijun hatte noch am Wochenende gesagt, dass diese Pläne weiterverfolgt würden. Man wolle aber Lehren aus der Havarie des japanischen Atomkraftwerks Fukushima I ziehen. Ähnlich äußerte sich auch der Chef der staatlichen Energieverwaltung, Liu Tienan. „Alle Beteiligten in China müssen den Unfall sorgfältig analysieren“, sagte er noch am Montag bei einem Besuch im chinesischen Atomenergieinstitut. Auch China befindet sich nämlich in einer seismisch äußerst aktiven Zone, wie das verheerende Erdbeben von Sichuan im Mai 2008 gezeigt hat.
„Wie wenn Sie ein WC spülen“
Genau wie die Japaner, die bisher glaubten, dass ihre Kernkraftwerke sicher wären, beteuern nun die Chinesen, dass ihre Meiler sogar noch etwas sicherer seien. Die Japaner hätten Reaktoren der zweiten Generation, während China die der dritten und neuesten vierten Generation baue.
Probleme mit elektrischen Kühlsystemen wie jetzt in Japan könne es da nicht geben. Vielmehr besäßen die Reaktoren riesige Wassertanks, die mit Schwerkraft funktionierten. „Es ist so, wie wenn Sie ein WC spülen“, wurde der Geschäftsführer des Stromversorgers China Power Investment Corporation (CPIC), Lu Qizhou, in Staatsmedien zitiert.
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