„Man wird nicht reich“
Im Gespräch mit ORF.at erklärt die junge Filmemacherin Marie Kreutzer, was es heißt, als Drehbuchautorin und Regisseurin mit dem ständigen Mantra „es wird enger“ aufgewachsen zu sein. Wer das Filmemachen ernst nehme, sei zum Prekariat verdammt. Verzagt ist man in der Szene dennoch nicht. Es gibt Partys und gute Gespräche.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
ORF.at: Ist Wien eine gute Stadt, um Filme zu machen?
Ich weiß nicht, wie hart der Wettbewerb woanders ist. Die Stimmung ist gut, weil es gute Leute gibt und weil das Potenzial da ist, dass etwas Wichtiges passieren könnte. Es gibt aber die Grenzen der Förderung. Es heißt immer: Es wird enger, es wird enger, es wird enger. Ich kenne es nicht anders, als dass es immer enger wird mit den Förderungen.
Das schafft Unruhe und macht Angst. Man weiß in dem Beruf nie, ob und wie es weitergeht.
ORF.at: Bekommt man da nicht Lust, die Angst hinter sich zu lassen, indem man nur noch „Dogma“-Filme dreht, mit fünf Freunden als Laienschauspielern und einer Handkamera ohne Beleuchtung?
Das ist total nicht meins. Ich habe alle meine Filme auf Film gedreht, das möchte ich beibehalten, auch wenn es zusehends schwieriger wird. Das wird immer mehr als ungewöhnlich angesehen. Ich möchte mit guten Schauspielern zusammenarbeiten. Ich habe bestimmte Vorstellungen, wie ein Film ausschauen soll. Das würde ich mit der Videokamera aus der Hand nicht schaffen.
So wie ich gedreht habe, war das im Verhältnis zu anderen Filmen trotzdem klein, wir waren 40 Leute und hatten nicht unendliche Mittel.
ORF.at: Wie viel kostet so ein Film?
Ganz genau weiß ich es nicht, es müssen in etwa 1,4 Millionen Euro gewesen sein. Für einen Erstlingsfilm in Österreich ist das relativ viel, für einen Kinofilm an sich aber nicht. Mir war aber jeden Tag bewusst, dass ich unter luxuriösen Bedingungen drehe.
ORF.at: Ist man bei einem österreichischen Film auf die Einnahmen an den Kinokassen angewiesen, oder sind die vollkommen irrelevant, weil alles über Förderungen läuft?
Wie genau das in Österreich funktioniert, verstehe ich selbst nie ganz. Üblicherweise spielen heimische Filme ihre Kosten überhaupt nicht ein, sie sind sogar weit entfernt davon. Als Regisseurin werde ich an „Die Vaterlosen“ nicht mehr viel verdienen. Viel habe ich auch bisher nicht damit verdient. Man wird mit Kino hier nicht reich.
ORF.at/Simon Hadler
ORF.at: Aber man muss zumindest nicht zittern, ob genügend Leute ins Kino kommen?
Ich sicher nicht. Aber für uns alle und für den Film wäre es gut, wenn viele Leute kommen. Es ist ein bisschen traurig, wenn man so lange an einem Film arbeitet und der dann so wenige Zuseher hat, wie ein österreichischer Film eben üblicherweise hat - ein paar Tausend.
ORF.at: Ist man zum Leben im Prekariat verdammt? Was kann man machen, um dem zu entkommen?
Die meisten Kinofilmregisseure machen noch etwas anderes. Die machen Fernsehfilme oder Werbung oder Unterrichten oder mehreres. Es nur mit Kino alleine zu schaffen, das ist in Österreich sehr selten.
ORF.at: Was machen Sie nebenher?
Ich arbeite nebenher immer wieder als Dramaturgin und schreibe auch an einem anderen Film mit, wo ich Koautorin bin. Mir war aber schon klar, dass ich mich auch in den Jahren vor dem Film schon sehr auf diesen konzentrieren muss - sonst wird das nichts. Das bedeutet, dass ich auf die Unterstützung von anderen angewiesen war, um mich konzentrieren zu können. Meine Drehbuchförderung hat nicht ewig gereicht. Bis der Film finanziert ist, vergeht viel Zeit.
Das ist der Punkt, an dem aussortiert wird, wer schlussendlich einen Film macht. Man ist oft gezwungen, etwas anderes zu machen und kommt dann vom Weg ab. Ich habe das Gefühl gehabt, ich muss meine Energien bündeln und ganz in den Film hineinstecken. Wenn ich angefangen hätte zu überlegen, wovon ich leben soll, hätte mich das zu sehr abgelenkt, dann hätte alles viel länger gedauert oder wäre gar nichts geworden.
ORF.at: Das heißt, man muss privat „wurschteln“ und sich denken: „Irgendwie wird es schon weitergehen.“
Ja genau, man muss „wurschteln“. Von der Finanzierung bis zum Drehschluss hat es ein Jahr gedauert, ein intensives Jahr. Geschrieben habe ich natürlich schon vorher, zweieinhalb, drei Jahre lang. Da habe ich hauptsächlich geschrieben und nur nebenher ein bisschen Dramaturgie gemacht.
ORF.at: Korrumpiert einen das beim Filmdreh? Denkt man sich: „Der Film sollte zumindest so massentauglich sein, dass ich einen nächsten Film wieder gefördert bekomme?“ Weil man sonst wieder nicht weiß, wo das Geld herkommen soll?
Nein, überhaupt nicht. Ich kann nur an mir selbst ermessen, ob ein Film etwas wird. Das kann mir niemand abnehmen. Natürlich gibt es Menschen, denen ich vertraue, dich mich beim Drehbuch und beim Schnitt beraten. Da muss man aber vorsichtig sein und auf sich selbst hören. Es gibt kein Rezept, wie ein Film kommerziell erfolgreich wird oder wie er künstlerisch erfolgreich wird. Da habe ich die romantische Vorstellung, dass das erfolgreich wird, was man gerne gemacht hat und was man mit Liebe gemacht hat. Vielleicht sage ich in ein paar Jahren etwas anderes.
ORF.at: Gibt es in Wien so etwas wie eine homogene Szene junger Filmemacher mit Lokalen, in denen man sich trifft?
Es ist schon so, dass man durch die Filmakademie in eine Runde hineinwächst. Das ist das Wertvolle an diesem Studium. Genau diese Runde wird dann später die Filmbranche. Es ist praktisch, wenn man die nicht mühsam kennenlernen muss, sondern mit den meisten schon zusammen studiert hat.
Es passiert relativ viel. Es gibt Veranstaltungen im Drehbuchforum, wo ich Vorstand bin, wo man immer wieder Leute trifft. Und natürlich Partys.
ORF.at: Gibt es auch inhaltliche, formale Diskussionen? Nicht, dass es eine eigene Schule junger österreichischer Filmemacher gäbe - aber so ein bisschen in diese Richtung?
Eher nein, das ist eher informell. Aber es ist schön, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Befreundet bin ich auch mit vielen Filmemacherinnen und Filmemachern. Dass man aber ganz in Ruhe mit einer anderen Regisseurin oder einem anderen Regisseur spricht, passiert nicht so oft. Egal wie verschieden die Arbeiten sind - man macht ähnliche Erfahrungen, hat die gleichen Unsicherheiten. Eigentlich ist man ja eher alleine in dem Beruf.
ORF.at: Gibt es auch Little Hollywood? Intrigen, Hass, Neid, Liebe?
Das gibt es sicher alles, aber ich bekomme es nicht so mit. Ich mag alle. Ich freue mich immer, wenn jemand, den ich gut finde, etwas macht. Wenn jemand gefördert wird, den ich nicht gut finde, ärgere ich mich. Ich habe kein Konkurrenzproblemen mit jenen, die ich gut finde. Ich gönne nur jenen den Erfolg nicht, die ich nicht so gut finde.
ORF.at: Was bedeutet die Diagonale?
Für junge Filmemacher viel. Es ist die erste Möglichkeit, etwas zu zeigen, und dann gleich vor Branchenpublikum. Man bekommt Aufmerksamkeit. Mir hat die Diagonale wahnsinnig viel gebracht. Meine Kurzfilme sind alle dort gelaufen, der erste im Jahr 2001. Das war der Anfang. Es ist wichtig, Publikum zu haben und Rückmeldungen zu bekommen.
Dann ist es natürlich schön, alle zu sehen und zu sehen, was sie machen. Vieles sieht man ja gar nicht, wenn es nicht groß ins Kino kommt. Ich bin die ganze Zeit bei der Diagonale und versuche mir so viel wie möglich anzuschauen. Das hat auch etwas mit Solidarität zu tun. Und es interessiert mich.
Das Gespräch führte Simon Hadler, ORF.at
Link: