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Knapp an Katastrophe vorbei?

Feuer in einem Atomkraftwerk, ein Störfall im Kühlsystem eines anderen: Nach dem verheerenden Erdbeben in Japan hatte die Situation in zwei AKWs des Landes mehr als bedrohliche Ausmaße erreicht. Mittlerweile sollen die Probleme unter Kontrolle sein. Radioaktive Strahlung sei nicht ausgetreten, melden die Behörden. Um 17.30 Uhr (MEZ) erklärte die Regierung, dass die Situation „unter Kontrolle“ sei.

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Die Regierung hatte erstmals in der Geschichte Japans vorsorglich den atomaren Notstand ausgerufen. Im Atommeiler Fukushima Daiichi war nach der automatischen Abschaltung des Kraftwerks der Kühlwasserstand gesunken.

Kernschmelze

Die Kernschmelze ist ein extrem gefährlicher Unfall in einem Kernreaktor. Die Brennstäbe erhitzen sich so sehr, dass sie schmelzen. Im ummantelten Brennstab befindet sich der Stoff, der gespalten wird - Uran oder Plutonium. Zur Kernschmelze kann es kommen, wenn Kühl- und Sicherungssysteme gleichzeitig oder in kurzer Zeit nacheinander ausfallen.

Damit bestand die Gefahr, dass die normalerweise von Kühlwasser umgebenen Brennstäbe trockengelegt werden, was im schlimmsten Fall zu einer Kernschmelze führen kann. Die Mitarbeiter des Werks bemühten sich, die Notstromversorgung in Gang zu bringen, um Wasser in die Reaktoren pumpen zu können, erklärte die Betreiberfirma Tokio Electric Power.

Ein Gebiet im Umkreis von drei Kilometern Umkreis um das AKW wurde evakuiert, 6.000 Menschen wurden in Sicherheit gebracht - eine reine Vorsichtsmaßnahme, wie die Behörden betonten.

Radioaktivität gestiegen

Später hieß es vonseiten der Behörden, der Fehler im Kühlsystem sei nicht im kritischen Bereich. Ob die Gefahr wirklich gebannt war, schien zunächst aber nicht ganz sicher. Die Betreiberfirma erklärte, in einem Reaktor steige der Druck. Diesen Angaben zufolge stieg auch die Radioaktivität in einem Turbinengebäude des Reaktors eins.

Nach Angaben der Regierung konnte ein geringfügiger Austritt von Radioaktivität aus dem Reaktor im AKW Fukushima nun nicht ausgeschlossen werden. Es werde erwogen, radioaktiven Dampf abzulassen, um den Druck in einem Reaktor zu senken, zitierten japanische Nachrichtenagenturen Industrieminister Banri Kaieda. Auch die Umweltorganisation Greenpeace warnte weiter vor einem enormen Risiko.

Atombehörde in Alarmbereitschaft

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist wegen der Lage im japanischen Atomkraftwerk Fukushima in voller Alarmbereitschaft. Man sei weiterhin in Verbindung mit den japanischen Behörden und beobachte die Situation genau.

Kühlmittel von der US-Airforce eingeflogen

Zunächst schien die Betreibergesellschaft das Problem aber in den Griff bekommen zu haben. Geholfen hat offenbar auch die US-Airforce, die Kühlmittel zu dem vom Erdbeben in Mitleidenschaft gezogenen Atomreaktor brachte. Man werde das von der massiven Katastrophe betroffene Land weiter unterstützen, kündigte US-Außenministerin Hillary Clinton am Freitag an. Die Luftwaffe habe gerade sehr wichtige Kühlflüssigkeit zu einem der Atomkraftwerke Japans transportiert. „Eines ihrer Kraftwerke ist durch das Beben unter großen Druck geraten, und sie hatten nicht genug Kühlmittel“, erklärte Clinton.

Laut der UNO-Atomenergiebehörde (IAEA) wurden die vier Kernkraftwerke, die dem Epizentrum am nächsten liegen, sicher abgeschaltet. Die Regierung meldete, insgesamt elf AKWs seien heruntergefahren worden.

Brand gelöscht

Im Atomkraftwerk Onagawa wurde das Problem schon vorher gelöst: Im ebenfalls abgeschalteten Atomkraftwerk Onagawa brach ein Feuer in einem Turbinengebäude aus. Die Betreibergesellschaft Tohoku Electric Power erklärte, dass keine radioaktive Strahlung ausgetreten sei. Der Brand wurde nach Angaben der Behörden nach einigen Stunden gelöscht.

Alle drei Reaktoren des Atomkraftwerks hätten sich nach dem Beben automatisch abgeschaltet, und es habe keine Lecks gegeben. Das Atomkraftwerk Onagawa wurde von 1984 bis 2002 an der Ostküste von Honshu gebaut. Dabei handelt es sich um Siedewasserreaktoren. In Onagawa kam es in der Vergangenheit mehrmals zu Störfällen. 2002 wurden bei Wartungsarbeiten zwei Arbeiter leicht verstrahlt.

Besonders hohe Anforderungen bei AKWs

Japan setzt bei der Energiegewinnung stark auf Atomkraft. Bereits 1966 wurde in Tokio nahe der Stadt Shizuoka der inzwischen stillgelegte erste Meiler in Betrieb genommen. Gegenwärtig sind 54 Reaktoren an 16 verschiedenen Standorten am Netz. Weitere drei Atomkraftwerke sind im Bau und elf werden geplant.

Da Japan zu den erdbebenreichsten Ländern der Erde zählt, gelten dort besonders hohe Anforderungen an die Sicherheit der Kraftwerke. Bei Erdstößen werden Reaktoren automatisch abgeschaltet. Trotzdem kam es in der Vergangenheit nach Erdbeben zu Störfällen. Die bis dato folgenschwersten Störfälle gab es im Juli 2007 nach einem Beben der Stärke 6,6 in der Provinz Niigata. In der aus sieben Reaktoren bestehenden weltgrößten Atomanlage Kashiwazaki-Kariwa wurden etwa 50 technische Defekte registriert, die der Betreiber zunächst nicht gemeldet hatte.

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