Terror hinter den Kulissen
Höher, schneller, weiter: Dieses Motto hat bei den Olympischen Winterspielen 1936 nicht nur im Bezug auf sportliche Höchstleistungen gegolten. Innerhalb kürzester Zeit ließ Adolf Hitler im Austragungsort Garmisch-Partenkirchen die nötigen Sportstätten aus dem Boden stampfen, um mit dem Riesenspektakel die Welt zu beeindrucken und seine nationalsozialistische Diktatur als friedliebende Nation zu tarnen.
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Garmisch-Partenkirchen, der Austragungsort der diesjährigen Ski-WM, zeigt anlässlich des 75. Jahrestages der 4. Olympischen Spiele die Ausstellung „Die Kehrseite der Medaille“, die sich mit dem dunklen Kapitel in der Vergangenheit des Ortes beschäftigt.
In der politischen Retrospektive gelten Hitlers Winterspiele 1936 bis heute hauptsächlich als Ouvertüre zu den Berliner Sommerspielen, als deren Anhängsel die Austragung der weniger beachteten Winterveranstaltung damals vergeben wurde, wie die „Zeit“ in einem Artikel über die Ausstellung berichtete. Als Deutschland 1931 den Zuschlag erhielt, beide Sportveranstaltungen auszutragen, gab es noch keinen Ort, der - ohne größere Vorbereitungsarbeiten - dafür geeignet gewesen wäre.

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Hitler täuschte die Welt mit seiner friedlichen Inszenierung der Sportfestspiele.
Fusion von Garmisch und Partenkirchen
Bei einer Ausschreibung konnten sich die Nachbargemeinden Garmisch und Partenkirchen für die begehrte Veranstaltung qualifizieren. Durchgesetzt hatten sich die Orte gegen die Mitbewerber Braunlage und Schreiberhau im Riesengebirge (heute polnisch: Szklarska Poreba). Auf Hitlers ausdrücklichen Wunsch wurden die beiden Ausrichtungsorte 1935 zu einer Marktgemeinde fusioniert. Weil sich der Garmischer Gemeinderat zuerst gegen die Zwangsvereinigung wehrte, drohte Gauleiter Adolf Wagner den Kommunalpolitikern mit drastischen Strafen und der Einweisung ins KZ Dachau, so die „Zeit“.

AP
Adolf Hitler eröffnete die 4. Olympischen Winterspiele 1936.
"Dabei ging es nicht um Garmisch oder Partenkirchen, das war Hitler egal“, erklärte Alois Schwarzmüller, treibende Kraft hinter der Aufarbeitung des Themas im Interview mit der „Zeit“. „Er wollte vor der Weltöffentlichkeit ein neues einheitliches Deutschland demonstrieren. Innere Geschlossenheit, Kraft, Stärke und Größe. Dörfliches Selbstbewusstsein hätte da nur gestört.“
Judenverfolgung verschärft
Danach verschärfte sich der nationalsozialistische Gehorsam unter den Garmisch-Partenkichner Parteiangehörigen und dementsprechend auch das Klima für ihre jüdischen Mitbürger. Die Verfolgungen und Übergriffe nahmen so stark zu, dass Olympia-Chef Karl Ritter von Halt um die Sicherheit während der Spiele fürchtete.
In einem Brief, den Schwarzmüller in einem Berliner Archiv gefunden hatte, warnte Von Halt das Reichsinnenministerium vor der zunehmenden Radikalisierung: "Aber wenn die Propaganda in dieser Form weitergeführt wird, dann wird die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen so aufgeputscht sein, dass sie wahllos jeden jüdisch Aussehenden angreift und verletzt.“ Und: „Wenn in Garmisch-Partenkirchen die geringste Störung passiert, darüber sind wir uns doch alle im Klaren, können die Olympischen Spiele in Berlin nicht durchgeführt werden, da auch alle übrigen Nationen ihre Meldung zurückziehen werden.“
Bilder einer „freundlichen Diktatur“
Tatsächlich gab man sich während der Spiele alle Mühe, die Demütigungen und Entrechtungen der deutschen Juden, die Unterdrückung politischer Gegner und die bereits laufende Aufrüstung und Militarisierung Deutschlands vor den Augen der Welt zu verbergen. Die Spiele mit 646 Sportlern aus 28 Nationen fanden statt und lieferten den Nazis die erwünschten Bilder mit gehissten Hakenkreuzfahnen an den Straßen, siegreichen Sportlern aus aller Welt samt Hitlergruß und einer halben Million Menschen, die die Wettbewerbe mit ihrer Begeisterung in Festspiele verwandelten. Es waren Bilder einer scheinbar freundlichen Diktatur, die perfekte Propaganda.
Ausstellungshinweis
„75 Jahre Olympische Spiele: Die Kehrseite der Medaille“, bis 1. Mai, Kurhaus im Michael-Ende-Kurpark in Garmisch-Partenkirchen, dienstags bis sonntags von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr (Sonntag, 20.2., geschlossen).
Es sollten für lange Zeit die letzten Winterspiele bleiben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Olympia 1948 in der Schweiz wieder aufgenommen. In Garmisch-Partenkirchen schwieg man nach dem Krieg über die Rolle, die der Ort in Hitlers Propagandamaschine gespielt hatte. Erst anlässlich der alpinen Ski-WM - und der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 - wurde nun die Ausstellung „Die Kehrseite der Medaille“ präsentiert.
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