POTUS und der „Kochtopus“
Sie sind - zusammengenommen - die drittreichsten Männer der USA nach Bill Gates und Warren Buffett, leiten das zweitgrößte Firmenkonglomerat der USA in Privatbesitz und haben seit Jahrzehnten Einfluss auf die Politik. Trotzdem sind sie so öffentlichkeitsscheu, dass man selbst via Google kaum Bilder von ihnen findet.
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Mehr als 100 Millionen Dollar (72 Mio. Euro) gaben sie bereits für rechte und ultrakonservative Anliegen aus, doch selbst der US-Öffentlichkeit sind sie bisher kaum bekannt: Die Brüder Charles und David Koch sind vehemente Kämpfer für möglichst wenig Staatseinfluss - was nicht zuletzt ihren eigenen Wirtschaftsinteressen dient.

Corbis/Retna Digital
Der „sichtbare“ Koch-Bruder David, mit Frau Julia 2008 bei einer Gala in NYC
Im Lauf der letzten drei Jahrzehnte gründeten die Brüder eine ganze Reihe an Think-Thanks und finanzierten diese maßgeblich mit. Darunter befinden sich bekannte konservative Institutionen wie die National Heritage Foundation und das Cato Institute. Laut „Forbes“ haben Charles und David Koch gemeinsam ein Vermögen von 35 Milliarden Dollar.
Milliarden mit Öl und Holz
Der Konzern Koch Industries, den die Brüder nach dem Tod ihres Vaters Fred 1967 übernahmen, hat seine Zentrale in Wichita im Bundesstaat Kansas. Zum Konzern gehören zahlreiche Firmen. Das wichtigste Standbein sind zahlreiche Ölraffinerien in Alaska, Texas und Minnesota sowie Tausende Kilometer an Ölpipelines. Daneben besitzen die Kochs unter anderem auch Holzunternehmen und Papierfabriken.
Mehr als 100 Millionen
Seit jeher waren die Brüder Koch politisch auf einer ebenso klaren wie radikalen Linie: möglichst wenig Staat, möglichst wenig Steuern, möglichst wenig soziale Sicherheit. Geschätzte mehr als 100 Millionen Dollar gaben sie aus, um diese Ziele zu fördern - und haben dabei offenbar auch den eigenen wirtschaftlichen Vorteil nicht vergessen. Denn mit ihren Spenden, die sie steuerlich abschreiben, machen sie vielfach ganz gezielte Interessenspolitik für ihre Unternehmen - etwa beim Kampf gegen Umweltauflagen.
Und das ist der Punkt, wo Kritiker einhaken, denn Großspenden von Unternehmern an sich sind in den USA gang und gäbe und keineswegs anrüchig. Doch in der Regel spannen Philanthropen - besonders im politischen Bereich - die Spendenempfänger nicht unmittelbar vor den Karren der eigenen Wirtschaftsinteressen. Genau das werfen Kritiker den Kochs dagegen vor. So ist laut einem Bericht der University of Massachusetts der Koch-Konzern einer der zehn größten Luftverschmutzer der Staaten. Und die Kochs gaben zwischen 2005 und 2008 mehr Geld an Organisationen, die Klimaschutzgesetze bekämpfen, als selbst ExxonMobil.
Kein Platz für Kompromisse
Die Brüder unterstützten laut „New Yorker“ zahlreiche Kampagnen, die Vorhaben Obamas bekämpften. Die Bandbreite reicht von der Gesundheitsreform über Klimaschutzgesetze bis hin zum Konjunkturprogramm. Vor allem die Americans for Prosperity Foundation (AFP) wurde zu einem wichtigen Instrument, nicht zuletzt unterstützte sie von den ersten Anfängen an die „Tea-Party“-Bewegung.
Für den konservativen Aktivisten Grover Norquist, der beide Wahlkämpfe für Bush mitmanagte, waren die Demonstrationen der „Tea-Party“-Bewegung entscheidend für den Stimmungsumschwung im Sommer des Vorjahres, der den klaren Sieg der Republikaner bei den Halbzeitwahlen im November ermöglichte. Der wichtigste Effekt dieser lautstarken Proteste sei gewesen, dass kompromissbereite Republikaner entmutigt und davon abgehalten wurden, mit Obama Deals zu schließen, so Norquist. Binnen weniger Wochen und angesichts dramatisch sinkender Beliebtheitswerte Obamas hätten sich die Stimmung und die Machtverhältnisse gewandelt. Die Koch-Brüder selbst sehen sich lediglich als „Sündenböcke“ und Opfer einer Kampagne der linksliberalen Presse, wie der „Weekly Standard“ in einem langen Beitrag resümierte.
Viele Tentakel
Wegen ihres großen und weitverzweigten Einflusses erhielten die Koch-Brüder von der linksliberalen Presse den Spitznamen „Kochtopus“ - eine Zusammenziehung der Wörter Koch („Coke“ ausgesprochen, Anm.) und des mit vielen Tentakeln ausgestatteten Octopus. Das reimt sich zudem beinahe auf eine in den USA geläufige Bezeichnung für den US-Präsidenten, POTUS, Akronym von „President of the United States“.
Im Visier von Obama
Obama nahm bei einer demokratischen Spendenveranstaltung im Vorjahr das Koch-Netzwerk ins Visier. Obama warnte, dass ein Höchstgerichtsurteil, das direkte und unbegrenzte Wahlspenden von Unternehmen erlaubt, es für diese noch einfacher werde, sich hinter „harmlos klingenden Namen wie Americans for Prosperity zu verstecken. Sie müssen nicht sagen, wer Americans for Prosperity genau ist. Man weiß nicht, ob es eine vom Ausland kontrollierte Firma ist - oder ein großer Ölkonzern.“
Das Ringen zwischen Obama und den Koch-Brüdern wird sich angesichts des beginnenden Vorlaufs zur Präsidentschaftswahl heuer wohl weiter verschärfen. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen: Der Teppich, auf dem Obama stand, als er am 20. Jänner 2009 auf dem Kapitol in Washington den Amtseid ablegte, war von einem Koch-Unternehmen geliefert worden.
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