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Vom Stiefkind zum Superstar

Vor wenigen Jahren meist milde belächelt, setzen Handygames nach ihrem gesellschaftlichen Aufstieg mit Apples iPhone nun auf der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco die Trends. Entwickler erfolgreicher Spiele wie „Angry Birds“ strotzen vor Selbstbewusstsein und wollen in Zukunft den Games-Markt dominieren.

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Stofftiere, Handyabdeckungen und demnächst auch in Film und Fernsehen - geht es nach dem finnischen Entwicklerstudio Rovio Mobile, werden seine „Angry Birds“ bald nicht nur Handys, sondern auch diverse Unterhaltungsmedien mit dazupassenden Merchandise-Artikeln erobern. „Es war von Anfang an unser Plan, das so groß wie nur irgend möglich zu machen“, so Peter Vesterbacka von Rovio Mobile gegenüber ORF.at, „wir bauen hier ein großes Entertainment-Franchise auf und haben gerade erst angefangen“.

Entwickler von "Angry Birds" auf der GDC

ORF.at/Nadja Igler

Peter Vesterbacka mit ein paar Merchandise-Artikeln der „Angry Birds“

Aufbau zur Lifestyle-Marke

Ausgangspunkt für den Boom ist ein Spiel, bei dem zornig dreinschauende Vögel mit einer Steinschleuder auf Schweine geschleudert werden. Die Download-Zahlen für das Produkt bewegen sich im zweistelligen Millionenbereich. Von den dazupassenden „Angry Birds“-Stofftieren wurden schon über zwei Millionen Stück verkauft. Dazu hat Rovio Mobile noch Handycover im Programm.

Weitere Produkte in Vogel- und Schweineform sollen bis zum Sommer folgen, so Vesterbacka - immer passend zum aktuellen Spiel. So wird es etwa nach der Weihnachts- und Valentinstag-Edition demnächst eine St.-Patrick’s-Day-Ausgabe des Spiels geben, begleitet von einem flauschigen Sparschwein in grün.

Auf lange Sicht sollen die „Angry Birds“ zur Lifestyle-Marke ausgebaut werden, so Vesterbacka. Dabei sah das Spiel zu Beginn gar nicht wie ein Erfolgsprodukt aus, erst langsam hantelte es sich über den ersten Platz der iTunes-Charts in Finnland und Schweden über Großbritannien zu einem weltweiten Erfolg hoch. Rovio Mobile hatte davor bereits 51 Spiele für Handys entwickelt, unter anderem für Nokia.

Handygames sorgen für Bewegung

Dass Handygames mittlerweile erfolgreich sind, ist für Vesterbacka alleine der Verdienst von Apples iPhone. „Apple hat das getan, was sie immer machen: Sie haben die Bedienung stark vereinfacht. Jetzt kann jeder auf dem Handy spielen und ab und zu auch damit telefonieren.“ Rovio Mobile selbst beschränkt sich nicht aufs iPhone, der Titel ist unter anderem auch für Samsungs Betriebssystem Bada, Intels Meego und Nokia-Handys verfügbar. Eine Version für Microsofts Windows Phone 7 wurde vor kurzem angekündigt, Varianten für stationäre Konsolen sollen folgen.

Derzeit gehe sämtliche Bewegung auf dem Gamingmarkt von den mobilen Spielen aus, so Vesterbacka in seinem Vortrag auf der GDC. Statt wie früher nur ein Anhängsel großer Konsolengames zu sein, würden erfolgreiche Handyspiele nun ihrerseits auf die Konsolen drängen - und hätten damit auch mehr Erfolg als umgekehrt.

Durch die verschiedenen App Stores gebe es außerdem mehr Wettbewerb. Früher hätten die Mobilfunker nach Vorbild einer sowjetischen Planungsbehörde entschieden, welche Spiele auf einem Handy verfügbar waren, meinte Vesterbacka. Diese Zeiten seien aber nun vorbei. Demnächst werde der Handygames-Markt den Konsolenmarkt überholen, ist er sich sicher.

Druck auf Spielekonsolen steigt

Für Konsolenhersteller wie Sony und Nintendo werden die Zeiten damit noch schwieriger. Nintendos neue 3-D-Konsole 3DS hat sich zwar zum Start in Japan laut Berichten sehr gut verkauft, und auch in Österreich soll die Nachfrage durch die Händler die verfügbarer Anzahl an Konsolen übersteigen, doch die Preise für Konsolenspiele liegen - wie auch ihre Entwicklungskosten - meist deutlich über jenen von Handygames.

Laut Vesterbacka liegt die Schmerzgrenze für einen Spontankauf im App Store derzeit bei 0,99 Cent. Zudem wird „Angry Birds“ wie auch andere Handygames durch kontinuierliche Updates mit neuen Levels und Inhalten frisch gehalten. Viele Konsolenspiele sind mit dem Verkaufsstart für das Entwicklerstudio abgehakt.

Konkurrenz von Sony

Sony plant mit seiner Next Generation Portable (NGP) zwar ebenfalls einen Nachfolger für seine mobile Spielekonsole PlayStation Portable (PSP), hat sich vor kurzem aber auch unter die Publisher für Googles Handybetriebssystem Android begeben.

Mit dem Spielehandy Xperia Play des gemeinsamen Joint Ventures mit Ericsson (Sony Ericsson) will Sony den mobilen Spielemarkt zudem von einer weiteren Seite bedienen. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen: Bisher zeichnet sich der Android-Markt nicht durch besondere Kauffreudigkeit der Kunden aus, berichten die Entwickler unisono.

GDC-Entwicklersessions

Sony, Microsoft und Google bieten auf der GDC Sessions für Entwickler an, wobei Google in Summe die meisten Informationen zu seinen Systemen und Services im Angebot hat. Zudem verschenkte Google am Montag an alle Besucher seines Google Entwicklertags ein Netbook mit seinem Chrome-Betriebssystem und sorgte damit für einigen Wirbel.

Apple wartet gleich nebenan

Microsoft ist mit seinem Windows Phone 7 (WP7) noch relativ neu auf dem Markt. Bei Microsofts Frühlingsmesse X11 für seine Spielekonsole Xbox 360 letzte Woche, ebenfalls in San Francisco, zeigte sich der Hersteller noch vorsichtig in Sachen Handygames.

Die eigenen Entwicklerstudios setzen weiter auf die Schiene der mobilen Games als Begleitung zu großen Titeln. Microsoft selbst möchte abwarten, was die Nutzer wollen. Auch wenn diese Zögerlichkeit Microsoft einiges an Marktanteilen kosten wird, hat der Hersteller mit der tiefen Integration seines Onlinegaming-Service Xbox Live in WP7 noch einen starken Trumpf in der Hand. Microsoft muss ihn nur richtig ausspielen.

Yerba Buena Center San Francisco

ORF.at/Nadja Igler

Wettstreit um Aufmerksamkeit: Links Apple im Yerba Buena Center, rechts die GDC im Moscone Center

Apple hält sich von der GDC wie immer fern - zumindest auf den ersten Blick. Am Mittwoch wird der Hersteller eine Pressekonferenz abhalten, bei der die Vorstellung des iPad 2 erwartet wird - und zwar im Yerba Buena Center, das gleich neben dem Moscone Center liegt, wo noch bis Freitag die GDC stattfindet.

Nadja Igler, ORF.at aus San Francisco

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