Neue Herausforderung gesucht
Auf der Suche nach einem Abenteuer, einer neuen Aufgabe oder gepackt vom Fernweh gehen immer mehr Frauen über 50 einen ungewöhnlichen Weg: Sie entschließen sich dazu, als Au-pair zu arbeiten. In Deutschland ist die Nachfrage offenbar derart groß, dass es eine eigene Vermittlungsagentur für ältere „Kindermädchen“ gibt.
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Seit etwas mehr als einem Jahr vermittelt die Agentur Granny Aupair „Kindermädchen“ über 50 ins Ausland. Mehr als zwei Dutzend Frauen im Alter von 50 bis 70 aus Deutschland wurden seither bei Familien in Kanada, Afrika, Australien, England, Spanien, Frankreich und Jordanien untergebracht. Viele nutzen das Angebot auch im eigenen Land.
Die Nachfrage dafür besteht auch in Österreich: Hier gibt es zwar keine eigene Agentur für ältere Au-pairs, allerdings bieten dieses Service zum Teil auch klassische Agenturen an: „Wir haben immer wieder Anfragen von Frauen über 50“, sagte Jana Varga-Steininger, die Leiterin von AuPair Austria, gegenüber ORF.at.
Gefragter als junge Au-pairs
Die Vorteile eines „Granny Au-pairs“ liegen für sie klar auf der Hand: Mehr Routine, Erfahrung und Bodenständigkeit. „Die Frauen sind gefestigter.“ Dadurch seien sie auch einfacher zu vermitteln als junge Au-pairs, vorausgesetzt, sie beherrschen die jeweilige Sprache und besitzen einen Führerschein.
Auch Michaela Hansen, die Gründerin von Granny Aupair, glaubt, dass die älteren Frauen den Au-pair-Mädchen einiges voraushätten: „Sie bringen eine riesige Lebenserfahrung mit, haben meist selbst Kinder großgezogen, können wunderschöne Geschichten erzählen“, sagte sie gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“).
„Wollen ihre Freizeit anders nützen“
Motive, sich auch in älteren Jahren abseits des gewöhnlichen Großmutterdaseins und eventuell in einem anderen Land der Kindererziehung zu widmen, gibt es viele: Die Frauen wollten Dinge nachholen, die sie in jungen Jahren womöglich versäumt haben, einmal „etwas anderes sehen“ und ihre Fremdsprachkenntnisse verbessern. „Sie wollen ihre Freizeit anders nützen“, so Varga-Steininger. Meist handle es sich um Frauen, deren eigene Kinder erwachsen seien und auf den eigenen Beinen stünden. Sie gingen für mehrere Monate bis zu ein halbes Jahr ins Ausland.
Eine 60-jährige Frau, die das Angebot von Granny Aupair nutzt, erklärte ihr Motiv gegenüber der „SZ“: Es mache „großen Spaß“, und „am wichtigsten ist mir dieses Gefühl, noch gebraucht zu werden“. Ihre Enkel seien 14 und 17 Jahre alt, „die brauchen mich grade nicht so doll“.
Varga-Steininger glaubt, dass grundsätzlich noch viel mehr Frauen Interesse an einem solchen Aufenthalt hätten, viele jedoch schlicht und einfach nicht wüssten, dass es diese Möglichkeit auch für ältere Frauen gibt. Bisher seien es „etwa eine Handvoll“ Frauen ab 50 pro Jahr, die sie vermittelt.
Gesetzliche Altersgrenzen als Problem
Die möglichen Aufenthaltsorte sind dabei jedoch beschränkt, so Varga-Steininger: „In vielen Ländern erlaubt der Gesetzgeber ältere Frauen als Au-pair nicht.“ Auch in Österreich liege die Grenze bei 28 Jahren. Ihre Agentur vermittelt deshalb hauptsächlich nach Irland und Großbritannien.
Das ist auch der Grund, warum bei der Agentur au-pair 4you „nur im Ausnahmefall“ Frauen über 50 vermittelt werden. Die Situation sei „sehr schwierig wegen der Gesetzeslage“, erklärte die Leiterin Maria Weidacher gegenüber ORF.at. Es komme deshalb sehr selten vor, dass ihre Agentur ältere Au-pairs vermittle. Möglich seien etwa „exotischere“ Länder, in denen derartige Beschränkungen nicht bestünden. Sie befürworte diese Möglichkeit zwar „absolut“, gab jedoch zu bedenken, dass in diesen Ländern dann eine Betreuung durch Ansprechpartner der Agentur vor Ort oft nicht mehr geleistet werden kann. „Es gibt dort keine Ansprechpartner, keine Betreuer und nichts.“
Unterschiedliche Betreuungsmodelle
Für Granny Aupair scheint das kein Problem zu sein - die Agentur setzt auf die Selbstständigkeit der Frauen. Das Problem der Altersgrenzen wird gelöst, indem die Frauen privat und nicht als klassisches Au-pair ins Ausland reisen. Sie müssen sich deshalb auch um alle Modalitäten selbst kümmern und Vereinbarungen direkt mit der Familie treffen. Die Agentur vermittelt lediglich den Kontakt und kassiert bei erfolgreicher Vermittlung eine Gebühr.
Mehr als nur Kinderbetreuung
Granny Aupair geht auch noch einen Schritt weiter: Die Agentur vermittelt ältere Frauen nicht nur als Au-pairs, sondern auch auch als Gesellschafterinnen. Sie greifen alleinstehenden, älteren Menschen unter die Arme, unterstützen sie im Alltag und sind für sie da. Zum Plaudern, Miteinander-Zeit-Verbringen und Zuhören.
Petra Fleck, ORF.at
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