Generalüberholung bis 2016
Bagger und Zäune rund um eine Großbaustelle sind mitten in Paris eine Seltenheit. Die eng bebaute Stadt besteht aus so vielen altehrwürdigen Gebäuden, dass für Neues kaum Platz ist. Eine Ausnahme ist der täglich von rund 150.000 Menschen besuchte Komplex Les Halles, der bis 2016 für eine Milliarde Euro umgebaut werden soll. Entstehen soll dort nach dem Willen der Stadtverwaltung das „neue Herz von Paris“.
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Bis in die 70er Jahre war das Viertel im ersten Stadtbezirk mit seinen Markthallen nach dem gleichnamigen Roman von Emile Zolas als „der Bauch von Paris“ bekannt. Nachdem die Obst- und Gemüsehändler an den Stadtrand umgezogen waren, folgte 1971 der Abriss der alten Hallen. Jahrelang klaffte dort ein 20 Meter tiefes Loch, erst zehn Jahre später weihte der damalige Bürgermeister Jacques Chirac das Forum Les Halles ein.

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In den 1930er Jahren herrschte in Les Halles reges Markttreiben.
In den 80er Jahren war die Anlage, die auf mehreren Stockwerken auch ein Schwimmbad, Konzerthallen und eine Bibliothek beherbergt, mit ihrer modernen Glas- und Stahlkonstruktion noch ein Touristenmagnet. Doch die „Hallen“ verkamen immer mehr, Obdachlose und Drogenabhängige eroberten den Park und die Rückseite der Geschäfte.

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Die Nischen von Les Halles werden häufig von Obdachlosen frequentiert.
Lebensqualität im Viertel soll verbessert werden
„Es geht darum, die Lebensqualität im Hallenviertel zu verbessern“, begründete die stellvertretende Bürgermeisterin Anne Hidalgo das Umbauprojekt in einer Pressekonferenz. Darin unterstützen sie viele Pariser, die in der alten Konstruktion eine riesige Bausünde sehen.
„Macht weiter, schlimmer als es jetzt ist, kann es nicht werden“, bemerkt ein Besucher des Infozentrums, das an Ort und Stelle über das Projekt informiert. „Wie schade, dass das Viertel so verkommen ist. Was für eine Verbesserung ist das Neubauprojekt für die Anwohner“, schreibt ein weiterer in das Buch mit den Kommentaren.
Anwohner werden ausfällig
Doch auch negative Reaktionen sind nicht selten, wie Thomas Salmon berichtet, der im Infozentrum arbeitet. Mehrmals schon musste er den Sicherheitsdienst rufen, weil vor allem Anwohner ausfällig wurden, die sich die Modelle anschauten. „Einer verglich die Ladenzeile sogar mit den Baracken eines Konzentrationslagers.“
Eine andere Besucherin habe schon im Modell die Ecken ausgemacht, wo sich künftig die Obdachlosen niederlassen könnten. Dabei lasse die neue Konstruktion des französischen Architekten David Mangin den Clochards gar keinen Platz mehr, sagt Salmon. Denn die kleinen Ecken und Winkel fallen weg, die bisher ein Zufluchtsort für die Menschen ohne festen Wohnsitz waren. Außerdem dürfte der private Sicherheitsdienst, der künftig die Anlage kontrollieren soll, strenger sein als die Polizisten heute.
Ein Denkmal für den Bürgermeister
Dem Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe wird es recht sein, wenn sich das Hallenviertel künftig ohne Obdachlose und Drogendealer präsentiert. Für ihn sind Les Halles, wo 3.000 Menschen arbeiten, einer der „Haupteingänge“ nach Paris. In dem Komplex liegt der größte Untergrundbahnhof Europas, den insgesamt rund 750.000 Menschen täglich nutzen. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte bewachen das Gedrängel, das dort stets herrscht.

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Der Park oberhalb des Freizeitzentrums soll wieder attraktiver werden.
Kritiker wie die Bürgerinitiative Accomplir werfen dem Sozialisten Delanoe vor, sich mit dem „pharaonischen“ Projekt, für das auch mehr als 300 Bäume gefällt werden müssen, in seiner zweiten Amtszeit selbst ein Denkmal setzen zu wollen. Dafür spricht, dass die „Canopee“ (auf Deutsch „Blätterdach“), ein riesiges grünes Dach über dem Eingangsbereich und Teilen des dahinterliegenden Parks, genau im Jahr der nächsten Bürgermeisterwahl 2014 fertig werden soll.

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Les Halles soll zu einem repräsentativen „Haupteingang“ nach Paris werden.
Händler skeptisch gegenüber Neuerungen
Um das neue Markenzeichen zu errichten, werden bereits im Frühjahr die Geschäfte im Erdgeschoss abgerissen. Die Geschäfte werden in andere Räume verlegt oder ihre Besitzer entschädigt. Die dortigen Händler sind sich nicht sicher, ob das Projekt wirklich eine Verbesserung ist. „On verra“ sagt der Besitzer eines Crepe-Standes - man wird sehen.
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