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Offiziere: „Geradezu stalinistisch“

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sieht sich mit Rücktrittsforderungen aus den Reihen des Bundesheeres konfrontiert. Dass der Minister Ressortangehörigen, die nicht seiner Meinung sind, mit personellen Konsequenzen drohe, sei „undemokratisch, verfassungswidrig und geradezu stalinistisch“, so der Präsident der Offiziersgesellschaft, Eduard Paulus.

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Darabos sei „in einer Demokratie untragbar geworden“, „er soll zurücktreten“, hieß es in einem Statement auf der Website der Offiziersgesellschaft. Der Minister ignoriere die geltende Verfassungslage und das demokratische, verfassungsrechtliche Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, hieß es in dem Statement. Ein Vorrang der Politik sei erst gegeben, wenn gültige Gesetzesbeschlüsse vorliegen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Der Rücktritt des Ministers wird demnach auch von Michael Schaffer, dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Milizverbände, und Franz Hitzl, dem Präsidenten der Österreichischen Unteroffiziersgesellschaft, gefordert. „Dem Minister fehlt jede Sachkenntnis und Führungsfähigkeit. Er ist eine Zumutung“ und „ein Fremdkörper“, so Schaffer. Die Bundesheer-Gewerkschaft unter Wilhelm Waldner reagierte auf die Entwicklung „entsetzt“ und verlangte von Darabos „Besonnenheit“ und eine „Abrüstung der Worte“. Zunächst sollten „die wahren Fakten“ auf den Tisch.

Darabos schießt zurück

Er lasse sich in seinem Reformvorhaben „von Beharrungskräften und Besitzstandsbewahrern“ wie Paulus und Schaffer „nicht beirren“, konterte Darabos. Daran würden „auch zwei Herren, die in ihrem Denken noch im 20. Jahrhundert sind, nichts ändern können“. Paulus und Schaffer agierten ausschließlich „politisch motiviert“, sie wollten „ihre Pfründe sichern und stellen sich gegen eine Professionalisierung des Heeres und gegen eine Stärkung der Miliz“, so Darabos.

In Sonntagszeitungen hatte Darabos Kritikern im Bundesheer wie Generalstabschef Edmund Entacher gedroht und erklärt, auch vor personellen Konsequenzen nicht zurückschrecken zu wollen. Er sei fest entschlossen, das Heer zu reformieren und die Wehrpflicht abzuschaffen. „Wer nicht mitzieht, wird mit Konsequenzen zu rechnen haben. Ich lasse mir von niemandem, auch nicht vom Generalstabschef, Steine in den Weg legen“, so Darabos in der „Tiroler Tageszeitung“ (Sonntag-Ausgabe).

Entacher sprach sich im Nachrichtenmagazin „profil“ (Montag-Ausgabe) für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus: „Wir haben schon jetzt ein Mischsystem aus Berufsheer, Wehrpflichtigen und Milizsoldaten, mit dem wir bisher alle an uns gestellten Aufgaben gut bewältigen konnten.“

ÖVP verlangt „Ordnungsruf“ von Fischer

ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger verlangte einen „Ordnungsruf“ von Bundespräsident Heinz Fischer. „Die Drohungen von Verteidigungsminister Darabos gegen seine engsten Vertrauten und höchstrangigen Generäle, die sich von seinen Plänen abwenden, sind unangebracht“, so Kaltenegger am Samstag.

Kritik auch aus SPÖ-Reihen

Auch in der SPÖ mehren sich die Kritiker an den Bundesheer-Plänen von Darabos. Nach den SPÖ-Offizieren inklusive Wehrsprecher Stefan Prähauser äußerte auch Anton Gaal seinen Unmut: „Was jetzt passiert, ist politischer Dilettantismus.“ Gaal ist ehemaliger SPÖ-Wehrsprecher, Vorsitzender der Bundesheerkommission und Chef der SPÖ Wien-Favoriten.

Koalitionsinterne Gespräche

Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) kündigte, ohne einen Zeitplan zu nennen, Gespräche zwischen Darabos, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und ihm an.

Er zweifelte die von Darabos präsentierten Alternativmodelle zur Wehrpflicht an und glaubte nicht, dass ein Berufsheer gleich viel kosten würde wie das jetzige. „Das sind Behauptungen“, für die es „keine Beweise“ gebe. Scharfe Kritik übte Gaal auch an der Art der aktuellen Debatte. Es fehle der „Tiefgang“. „Was jetzt passiert, ist politischer Dilettantismus.“

FPÖ: Darabos „wie ein Diktator“

Empört reagierte FPÖ-Wehrsprecher Peter Fichtenbauer auf Darabos’ Drohungen: „Offizieren, die das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen und die gegebene Verfassungslage beibehalten wollen, mit Hinauswurf, Absetzung oder sonstigen Konsequenzen zu drohen, bleibt sonst nur Diktatoren aller möglichen Schattierungen vorbehalten." Das Vorgehen des Verteidigungsministers deklassiere sich selbst, so Fichtenbauer. Den bereits erhobenen Rufen nach Rücktritt ist nichts weiter hinzuzufügen.“

Die Wehrpflicht abzuschaffen, bedeute, die Neutralität endgültig zu Grabe zu tragen, und einen NATO-Beitritt, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beim traditionellen Neujahrstreffen am Samstag. Die angestrebte Freiwilligkeit sei ein „utopisches, links-linkes Modell“, Darabos selbst eine „dramatische Fehlbesetzung und Gefährdung für unser Land“.

Grüne: „Befürchtetes Chaos ausgebrochen“

„Das befürchtete totale Chaos ist nun ausgebrochen“, kommentierte der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz die Wehrpflichtdebatte. „Die Streitereien und die Planlosigkeit hat der SPÖ-Minister zu verantworten.“ Pilz forderte die sofortige Einberufung des Landesverteidigungsausschusses.

BZÖ-Chef Josef Bucher ging in der ORF-„Pressestunde“ nicht konkret auf die Turbulenzen ein, sprach sich aber erneut für die Aussetzung bzw. Abschaffung der Wehrpflicht aus. Der Zivildienst solle eine freiwillige Bürgerhilfe werden, dieses Soziale Jahr solle beispielsweise auch Pensionisten offenstehen.

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