EU und Schweiz wollen Gelder einfrieren
Nach dem Sturz von Tunesiens Langzeitpräsident Zine el Abidine Ben Ali hat neben der Europäischen Union (EU) auch die Schweiz angekündigt, die im Land vermuteten Vermögen des Ex-Diktators einfrieren zu lassen. Erste Banken sind laut Medienberichten nun bereits der Aufforderung der Schweizer Regierung nachgekommen und haben Vermögenswerte des Ben-Ali-Clans gemeldet.
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Wie der Sprecher des Schweizer Außenministeriums, Adrian Sollberger, von der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Sonntag-Ausgabe) zitiert wird, liegen „erste Meldungen von blockierten Vermögenswerten in der Zwischenzeit vor“. Den Angaben zufolge soll es sich in erster Linie um umfangreiche Geldvermögen handeln, die Ben Ali und seine Familie in der Schweiz anlegen und verwalten ließ.
Mehrere Banken genannt
„Es stellt sich heraus, dass Vermögen von Zine Ben Ali und seiner Familie auf der HSBC Private Bank, der Citibank und der Credit Suisse in Genf liegen“, heißt es laut „NZZ“ in einem Gesuch an den Bundesrat zur Sperrung der Gelder. Zudem wird von Liegenschaften in Genf und im Greyerzerland berichtet. Auch ein Privatjet des Typs Falcon 900, der sich seit dem 10. Jänner auf dem Flughafen Genf Cointrin befinden soll, wird Ben Alis Familienangehörigen zugeschrieben.
Augenzeugen zufolge soll ein Neffe Ben Alis zudem letzte Woche nach Genf gereist sein und versucht haben, Gelder abzuheben, wie die „Basler Zeitung“ („BAZ“) in ihrer Onlineausgabe berichtete. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey habe es in diesem Zusammenhang allerdings als „unwahrscheinlich“ bezeichnet, dass es Ben Ali noch gelingen könnte, Vermögenswerte aus der Schweiz abzuziehen.
Dauergast in Genf
Unterdessen zeichnet sich immer mehr ab, dass die Familien von Ben Ali und dessen Frau Leila Trabelsi offenbar seit Jahren enge Beziehungen zur Schweiz pflegten. Nach Angaben des Präsidenten der Vereinigung der Tunesier in der Schweiz, Mohamed Ben Henda, sei für die beiden Familien Genf neben Dubai „der wichtigste Ort im Ausland“ gewesen.
Neben der Anlage von Geldern und der Abwicklung von Geschäften sei die Schweiz demnach auch für die Ausbildung und für Ferien von Familienmitgliedern von zentraler Bedeutung gewesen. Wie die Westschweizer Zeitung „Le Temps“ (Samstag-Ausgabe) berichtete, seien allein im Vorjahr Ben Alis Privatjets 28-Mal nach Genf geflogen.
Villen in Frankreich
Aber auch bei Tunesiens einstiger Kolonialmacht fühlte sich Ben Ali offenbar wohl: Mit Herrenhäusern in teuerster Pariser Wohnlage, Villen an der Cote d’Azur und einem Chalet in den französischen Alpen bereitete sich der Clan des tunesischen Ex-Machthabers anscheinend mit Immobilienkäufen auf eine daunenweiche Rentenzeit in Frankreich vor.
Die zweite Ehefrau des nach Saudi-Arabien geflüchteten Präsidenten, Leila Trabelsi, erwarb nach Angaben der Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ von Samstag erst vor vier Monaten ein Luxusanwesen an der teuren Pariser Avenue Foch. Eingetragen wurde die Immobilie demnach auf den Namen des sechsjährigen einzigen Sohns des Paares, Mohamed.
Ben Alis Schwiegersohn erwarb einige Monate zuvor für 37 Millionen Euro ein Herrenhaus im Marais, einem Pariser Stadtviertel mit zur Zeit steigenden Preisen. Als Angehörige Ben Alis vor einer Woche in Paris landeten, um ein diskretes Wochenende in Euro-Disneyland zu verbringen, drängten die französischen Behörden die neuerdings unwillkommenen Gäste nun aber zu einer raschen Abreise in Richtung Saudi Arabien, wo Ben Ali Unterschlupf gefunden hat.
„Keine Veränderung des Goldbestandes“
Der neue Präsident der tunesischen Zentralbank, Mustapha Kamel Nabli, bestritt unterdessen, dass ein Teil des Goldbestands in den letzten Tagen der Herrschaft Ben Alis verschwunden sei. „Es gab keine Veränderung in unserem Goldbestand und sein Gewicht ist seit Jahren dasselbe geblieben“, sagte er. Nablis Vorgänger war zurückgetreten, nachdem es Gerüchte gegeben hatte, dass die Ehefrau Ben Alis mit einem großen Teil des Goldes geflohen sei.
„Mafia-ähnlich“
Laut den von der Aufdeckerplattform WikiLeaks veröffentlichten US-Depeschen wurde das Herrschaftssystem des lange Zeit vom Westen gehätschelten Ben Ali von der amerikanischen Botschaft als „Mafia-ähnlich“ eingestuft. Unter dem Vorwand, gegen islamischen Extremismus anzukämpfen, würden in dem nordafrikanischen Land Medien, Gewerkschaften und Opposition rücksichtslos unterdrückt.
Schwerste Korruptionsvorwürfe wurden von Regimekritikern gegen Ben Alis Ehefrau und deren Bruder Mourad Trabelsi erhoben, die hinter den Kulissen die Fäden gezogen und sich auch am Drogenhandel enorm bereichert haben sollen.
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