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Übergangspräsident abgelöst

Bei einem Gefängnisbrand in der tunesischen Stadt Monastir sind nach Angaben von Ärzten bis zu 60 Menschen ums Leben gekommen. Zahlreiche weitere Menschen erlitten bei dem Feuer in der auch bei Touristen beliebten Küstenort schwere Verbrennungen, wie aus Krankenhauskreisen verlautete. Nach ersten Erkenntnissen hatten Häftlinge ihre Matratzen in Brand gesteckt.

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Die Flammen hätten dann schnell auf das gesamte Gebäude übergegriffen. Als die Insassen zu fliehen versuchten, eröffneten Wärter nach Augenzeugenberichten das Feuer. Mehrere Häftlinge seien an Schusswunden gestorben, andere verbrannt, hieß es. Ein Gerichtsmediziner sagte hingegen, einer ersten Untersuchung zufolge seien sämtliche Opfer am Feuer selbst oder durch das Einatmen des Rauches gestorben.

„Schüsse, Detonationen und Schreie“

Nach erneuten nächtlichen Ausschreitungen riegelte die Polizei das Zentrum der tunesischen Hauptstadt Tunis am Samstag ab. Zudem wurde das Aufgebot an Sicherheitskräften verstärkt. Vor dem Sitz des tunesischen Innenministeriums lieferten sich Soldaten und Polizisten am Samstag ein Feuergefecht mit Angreifern.

Demonstranten werden Steine gegen die Polizei

AP/Christophe Ena

Demonstranten bewerfen Polizisten mit Steinen.

Trotz der beendeten nächtlichen Ausgangssperre blieben Cafes und Geschäfte vorerst geschlossen. Auf den Straßen im Zentrum blieb es zunächst ruhig. In mehreren Vororten von Tunis gab es laut Zeugenangaben in der Nacht erneut Ausschreitungen und Plünderungen. Laut einem AFP-Fotografen wurde im Norden der Hauptstadt am Freitag ein großes Einkaufszentrum angegriffen und am Samstag geplündert. In der Nacht hatte es zudem Berichte über einen in Flammen stehenden Bahnhof sowie brennende Supermärkte in Tunis gegeben.

Die in Tunis lebende österreichische Unternehmerin Gudrun Sageder schilderte der ZIB um 9.00 Uhr telefonisch, in der Nacht seien Schüsse, Detonationen und Schreie zu hören gewesen. Jetzt sei es aber ruhig, auf den Straßen sehe man Autos, so Sageder am Samstag.

Hunderte Elitepolizisten festgenommen

In einer dramatischen Entwicklung nahmen tunesische Soldaten indes Hunderte Elitepolizisten des geflohenen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali fest. Das wurde am Samstag aus Sicherheitskreisen bekannt. Ihnen wird vorgeworfen, für die gewaltsame Eskalation bei den Massendemonstrationen der vergangenen Tage in Tunesien verantwortlich gewesen zu sein. Mehrere von ihnen stehen zudem im Verdacht, an Plünderungen und Zerstörungen beteiligt gewesen zu sein.

Ben Ali nach Saudi-Arabien geflohen

Unterdessen wurde nach nur einem Tag ein neuer Übergangspräsident ernannt. Nach der Flucht des abgedankten Präsidenten ins saudische Exil hatte zunächst Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi am Freitag die Amtsgeschäfte übernommen. Am Samstag ernannte der Verfassungsrat Foued Mbazaa zum neuen Interimspräsidenten. Die Ernennung des bisherigen Parlamentspräsidenten wurde im Staatsfernsehen bekanntgegeben. Mbazaa soll nun Neuwahlen vorbereiten.

Zustimmung zu Koalitionsregierung

Der Übergangspräsident hat in einer ersten Amtshandlung Ghannouchi mit der Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ beauftragt. Ghannouchi hatte zuvor mit Vertretern der Opposition gesprochen. Der Premier habe dem Vorschlag zugestimmt, eine Koalitionsregierung zu bilden, sagte der führende Oppositionspolitiker Mustapha Ben Jaafar nach der Unterredung mit dem Regierungschef.

„Morgen wird es ein weiteres Treffen geben mit dem Ziel, das Land aus dieser Situation herauszubringen und wirkliche Reformen zu erreichen“, erklärte der Vorsitzende der vom Regime zugelassenen „Union für Freiheit und Arbeit“. Die Ergebnisse der Beratungen würden am Sonntag bekanntgegeben. Zu dem Treffen war unter anderen auch der Vorsitzende der ebenfalls legalen Demokratischen Fortschrittspartei (PDP), der Anwalt Najib Chebbi eingeladen.

Ausnahmezustand vor Flucht verhängt

Ben Ali hatte vor seiner Flucht den Ausnahmezustand verhängt und die Macht Ministerpräsident Ghannouchi als Interimspräsidenten übertragen. Laut Verfassung ist das jedoch nur für eine begrenzte Zeit möglich. Sie sieht vor, dass der Vorsitzende des Parlaments in das Amt des Präsidenten treten soll. Oppositionspolitiker hatten bereits kritisiert, dass die Ernennung Ghannouchis verfassungsrechtlich bedenklich sei.

Obwohl Ghannouchi als gemäßigt sowie als guter Vermittler gilt, belastet ihn nach Ansicht vieler Tunesier seine bisherige Nähe zur alten Regierung. Ghannouchi hatte während der Proteste zudem das brutale Vorgehen des Staates gegen die Demonstranten verteidigt.

Tunesische Polizisten schleifen Demonstranten über die Straße

AP/Christophe Ena

Die Ordnungskräfte gingen hart gegen Demonstranten vor.

EU und USA rufen zu Zurückhaltung auf

Die EU-Kommission dringt auf einen friedlichen Wandel in dem Mittelmeerland. „Wir mahnen alle Parteien, Zurückhaltung zu zeigen und Ruhe zu bewahren, um weitere Opfer und Gewalt zu vermeiden“, so die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitagabend in Brüssel. Der Schlüssel für die weitere Entwicklung sei der Dialog.

Auch die USA riefen alle Seiten zur Zurückhaltung auf. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Gewalt gegen die Demonstranten. Gleichzeitig lobte er den Mut der Menschen in Tunesien. Obama rief alle Seiten in Tunesien auf, Ruhe zu bewahren, auf Gewalt zu verzichten und die Menschenrechte zu achten.

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