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Ghannouchi: Ben Ali „verhindert“

Tunesiens Präsident Zine el Abidine Ben Ali sei „vorübergehend nicht in der Lage, seine Aufgaben wahrzunehmen“. Mit diesen Worten gab Premierminister Mohamed Ghannouchi seine Machtübernahme am Freitagabend im tunesischen Staatsfernsehen bekannt. Der 69-Jährige, ein treuer Gefolgsmann Ben Alis, betonte zugleich, er werde die Verfassung respektieren.

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Diese legt in ihrem Artikel 56 fest, dass der Präsident im Falle einer „vorübergehenden Verhinderung“ per Dekret seine Amtsgeschäfte interimistisch dem Premierminister übertragen kann. In einem solchen Fall bleibe die Regierung bis zum Ende dieser „Verhinderung“ im Amt, legt die Verfassung fest, selbst wenn ein Misstrauensantrag im Parlament gegen sie verabschiedet worden sei.

Doch nicht zurückgetreten?

Wenn Ghannouchi sich auf Artikel 56 beruft, bedeutet das, dass Präsident Ben Ali nicht zurückgetreten ist. Denn in einem solchen Fall käme Artikel 57 zur Anwendung. Darin ist festgelegt, was zu geschehen hat, wenn das Präsidentenamt durch Tod, Rücktritt oder eine nicht näher definierte „gänzliche Verhinderung“ dauerhaft vakant ist.

Dann müsste gemäß Verfassung zunächst der Verfassungsrat, das tunesische Verfassungsgericht, die definitive Vakanz konstatieren. In einem nächsten Schritt müsste der Verfassungsrat das Parlament informieren. Die Amtsgeschäfte des Staatspräsidenten müsste dann der Präsident der Abgeordnetenkammer, Fouad Mebazaa, übernehmen. Frühestens nach 45 Tagen und spätestens nach 60 Tagen müssten Präsidentenwahlen organisiert werden.

Eingeschränkte Macht

Die Verfassung schränkt die Macht des Interimspräsidenten ein: Er darf weder die Regierung entlassen noch ein Referendum durchführen. Auch für den Fall, dass der Präsident der Abgeordnetenkammer die Amtsgeschäfte nicht übernehmen kann, sorgt die Verfassung vor. Dann müsste der Präsident der zweiten Parlamentskammer, der Rätekammer, Abdallah Kallal, die Präsidentenfunktionen übernehmen. Auch in diesem Fall käme der Premierminister nicht zum Zug.

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