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Wahres Gesicht lange Zeit versteckt

23 Jahre war der tunesische Staatspräsident Zine el Abidine Ben Ali im Amt, nun setzte er sich ins Ausland ab. Zugeständnisse, die Ben Ali selbst für groß gehalten haben mag, reichten den Demonstranten nicht aus. Nach blutigen Protesten löste der Langzeitpräsident die Regierung auf und kündigte eine Neuwahl des Parlaments in den nächsten sechs Monaten an. Doch auch das reichte offenbar nicht.

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Jahrelang hatte es der mittlerweile 74-Jährige verstanden, das Image eines skrupellosen Diktators zu vermeiden. Seit den Ereignissen der vergangenen Tage war es damit allerdings vorbei. Ben Ali nahm zahlreiche Tote in Kauf, um die erste große Protestbewegung seiner Amtszeit niederzuschlagen. Erschrocken blickte die Welt auf einen Mann, der Polizisten auf Demonstranten schießen ließ und Meinungs- und Versammlungsfreiheit missachtete.

Ausbildung in Frankreich und den USA

Wie straffe Führung funktioniert, hatte Ben Ali von der Pike auf gelernt. Er wurde an Militärakademien in Frankreich und den USA ausgebildet, später arbeitete er jahrzehntelang an der Spitze der militärischen und nationalen Sicherheit - unterbrochen von diplomatischen Auslandsaufenthalten. 1987 wurde er erst Innen- und dann Premierminister.

Ende desselben Jahres kam es zum Putsch gegen den zuletzt senilen Habib Bourguiba (1903-2000), der Präsident auf Lebenszeit war. Ben Ali übernahm die Macht auch unter dem Beifall des Auslands. In seiner Antrittsrede versprach er Demokratie, Pluralismus und soziale Gerechtigkeit.

Bürgerrechte stark eingeschränkt

Auf die Einlösung dieser Versprechen warteten die Tunesier vergebens. Zwar erzielte Ben Ali unbestreitbare Erfolge bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und machte das Land in dieser Hinsicht zu einem Vorzeigestaat in der Region. Bürgerrechte und Meinungsfreiheit wurden allerdings stark eingeschränkt. Die gegängelte und eingeschüchterte Opposition hatte bei keiner der mittlerweile fünf Präsidentenwahlen eine Chance.

Das schlechteste Ergebnis erzielte Ben Ali bei der bisher letzten Wahl im Oktober 2009. Er bekam allerdings offiziell immer noch 89,62 Prozent der abgegebenen Stimmen. Eigentlich wollte der als Reformer angetretene Ben Ali die Präsidentschaft auf Lebenszeit abschaffen. Gegen Ende seines dritten Mandats ließ er dann aber doch die Verfassung ändern, um sich weitere Mandate zu ermöglichen.

Schwere Vorwürfe an Clan

Über das Privatleben des in Hammam Sousse an der Ostküste geborenen Präsidenten ist wenig bekannt. Ben Ali gilt als computer- und technikbegeistert, stark auf sein Äußeres bedacht und wirkt deutlich jünger als 74 Jahre. Gerüchte über eine zurückliegende Krebserkrankung wurden nie bestätigt. Zusammen mit seiner zweiten Frau hat er sechs Kinder.

Leila Ben Ali war allerdings zu einer starken Belastung für den Präsidenten geworden. Die 63-Jährige ist in weiten Teilen der Bevölkerung als rücksichtslos und habgierig verschrien. Ihrer Familie, dem Trabelsi-Clan, werden Korruption und hemmungslose Bereicherung vorgeworfen. „Leila Ben Ali ist die meistgehasste Frau des Landes“, sagte ein Tunesier.

Ansgar Haase, dpa

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