Neuwahlen angekündigt
Angesichts massiver Proteste der Bevölkerung hat der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali die Auflösung der Regierung sowie vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. Ben Ali habe am Freitag entschieden, dass die Wahlen in sechs Monaten stattfinden sollten, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur TAP.
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Die Behörden verhängten am Freitag den Ausnahmezustand. Er gelte für das ganze Land, berichtete die offizielle Nachrichtenagentur in Tunis. Es gelte eine Ausgangssperre zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr, erklärte die Regierung. Zudem seien Versammlungen an öffentlichen Orten verboten. Armee und Polizei erhielten das Recht, auf „Verdächtige“ zu schießen, die sich den staatlichen Anordnungen widersetzen.
In Tunesien gibt es bereits Gerüchte über einen möglicherweise bevorstehenden Rücktritt Ben Alis. Eventuell habe sich der 74-Jährige bereits in Richtung Ausland abgesetzt, hieß es am Abend in Tunis. Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi sagte, der Präsident habe ihn mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt. In Tunis hatten am Freitag mehr als zehntausend Menschen den Rücktritt des 74 Jahre alten Präsidenten Ben Ali gefordert. Bisher sollen rund 80 Menschen bei den Unruhen gestorben sein.
Thomas Cook will Touristen ausfliegen
Die Armee übernahm nach Angaben aus Flughafenkreisen die Kontrolle über den Flughafen der Hauptstadt Tunis. Der Luftraum sei gesperrt worden. Der französische TV-Sender BFM berichtete am Freitagabend, eine Maschine der Fluggesellschaft Air France sei zur Umkehr nach Frankreich gezwungen worden.
Der Reiseveranstalter Thomas Cook will einen großen Teil seiner 2.000 Urlauber aus Tunesien mit sechs Flugzeugen nach Deutschland und Österreich zurückbringen. Die Maschinen sollten in der Nacht zum Samstag auf den Flughäfen Wien, Düsseldorf, Berlin oder Frankfurt landen, wie das Unternehmen am Freitag im deutschen Oberursel bei Frankfurt mitteilte. Die Gäste würden dann per Bus oder Bahn zu den gebuchten Ursprungsflughäfen gebracht. Thomas Cook will auch 1.800 britische Urlauber aus Tunesien nach Hause holen. Andere große Anbieter warteten ab. In den Urlauberhotels war es zunächst ruhig geblieben.
Straßenschlachten in Tunis
Am Freitag kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. In der Hauptstadt Tunis lieferten sich Gruppen von Demonstranten Straßenschlachten mit Anti-Aufruhr-Einheiten der Polizei, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
Die Demonstranten in Tunis skandierten „Nein zu Ben Ali“ und nannten ihn einen „Lügner“. Die Menschen machen ihn und seinen Clan für die hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Polizeigewalt verantwortlich. Am Nachmittag wurden Demonstranten vor dem Innenministerium von Polizisten mit Tränengas vertrieben. Augenzeugen berichteten auch von Schüssen. Zuvor hatte es Versuche gegeben, das Gebäude zu stürmen.
Immer mehr Tote
Bei Ausschreitungen hatten Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen mehrfach auf Demonstranten geschossen. Menschenrechtler nannten bis Donnerstag die Zahl von 66 Toten. Mindestens 13 weitere starben seitdem bei den Unruhen in der Hauptstadt Tunis, bestätigten Krankenhausmitarbeiter am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Die Zahl könnte jedoch noch weiter steigen. Der Botschafter des Landes bei der UNO-Kulturorganisation UNESCO in Paris, Mezri Hadded, gab im französischen Fernsehen wegen der Gewalt seinen Rücktritt bekannt.
Präsident machte Zugeständnisse
Ben Ali hatte am Donnerstagabend Zugeständnisse gemacht und für 2014 das Ende seiner mittlerweile 23-jährigen Präsidentschaft in Aussicht gestellt. Die EU ermunterte ihn, diesen Kurs der Öffnung weiter zu verfolgen. Sprecher von Oppositionsparteien im Land kritisierten das Angebot jedoch als ungenügend. Menschenrechtsgruppen wie Reporter ohne Grenzen prangerten das brutale Vorgehen gegen die Protestbewegung an.
In seiner dritten Fernsehansprache innerhalb weniger Wochen hatte Ben Ali sinkende Preise für Grundnahrungsmittel, mehr Demokratie und die Aufhebung der Internetzensur versprochen. Wenig später konnten zuvor gesperrte Websites wie etwa YouTube wieder erreicht werden.
Hupkonzerte in der Nacht
Nach der Präsidentenrede waren am Donnerstagabend trotz eines Ausgehverbots zahlreiche Menschen auf die Straßen gegangen, um die Ankündigungen zu feiern. Hupkonzerte und Freudenschreie hallten durch die Nacht. Regimekritiker vermuteten jedoch, dass es sich bei den Feiernden größtenteils um Mitglieder der Regierungspartei gehandelt haben könnte.
Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, zielten zuletzt immer mehr auf das Regime Ben Alis und hatten selbst Touristenorte erreicht. Am Donnerstag war der 60 Kilometer südlich von Tunis gelegene Badeort Hammamet betroffen. Läden wurden geplündert, eine Polizeiwache verwüstet.
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