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EU jagt die „Missing Trader“

Mehrwertsteuerbetrug in Europa kennt viele Formen. Die verbreitetste ist wohl die Schwarzarbeit, daneben gibt es aber auch direkten Betrug - also falsche Anträge auf Rückerstattung zu stellen. Eine besondere Form des Betrugs mit der Mehrwertsteuer (MwSt.) ist jene, die transnational innerhalb der Union abläuft und die fehlende Kooperation der Nationalstaaten in Steuerangelegenheiten ausnützt.

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Wegen des Widerstands der Mitgliedsländer gegen ein EU-weit einheitliches MwSt.-System ist - um den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt nicht zu behindern - seit 1992 ein Übergangssystem in Kraft, das Lücken in das nationale System der MwSt.-Einhebung riss.

Betrüger nützen Lücke

Das Prinzip des Karussell- oder „Missing-Trader“-Betrugs ist einfach und macht sich zwei Besonderheiten des Mehrwert- oder Umsatzsteuerrechts in der EU zunutze. Einerseits fällt die Umsatzsteuer bei Geschäften von einem EU-Staat in einen anderen de facto weg. Sehr wohl aber wird sie bei Geschäften innerhalb eines Landes fällig.

Andererseits hat man beim Abführen der Steuer eine bestimmte Frist, nämlich drei Monate für die Steuererklärung und ein weiterer für die Bezahlung, zur Verfügung. Das bedeutet, dass die Finanzbehörde bis zu vier Monate auf das Eintreffen der Steuerzahlung warten muss. Selbst bekommt ein Käufer, der Mehrwertsteuer entrichtet hat, dieses Geld aber am Ende jenes Monats von der Finanz zurück, in dem das Geschäft getätigt wurde, also maximal innerhalb von 30 Tagen.

Lukratives Ringelspiel

Das Besondere an der Betrugsform ist, dass sie sich wie in einem Ringelspiel nahezu beliebig wiederholen lässt, daher auch der Name Karussellgeschäft oder -betrug.

Versteckspiel mit A, B und C

Ein Beispiel: Eine in einem EU-Staat beheimatete Firma A verkauft Waren im Wert von einer Million Euro an das Unternehmen B in einem zweiten EU-Staat, was für beide steuerneutral ist. B verkauft nun weiter an C und berechnet wegen der 20-prozentigen Mehrwertsteuer 1,2 Millionen Euro dafür. Die 200.000 Euro mehr müsste B innerhalb einer bestimmten Frist an sein Finanzamt abführen. Hingegen bekommt C die Mehrwertsteuer sofort rückerstattet.

Innerhalb der ihm auferlegten Frist verschwindet nun B - deshalb auch der englische Begriff „Missing Trader“ -, der Staat wurde um 200.000 Euro betrogen. C verkauft unterdessen die Ware steuerneutral zurück an die Firma A, und das Spiel kann von neuem beginnen. Nicht einberechnet wurden natürlich auch allfällige Maßnahmen zur Verschleierung der Konstruktion, etwa das Verlangen höherer Preise, um einen Gewinn auszuweisen.

Drei unter einer Decke

Meist stecken die drei Unternehmen unter einer Decke. Das muss aber nicht so sein. Gerade bei umfangreicheren Karussellgeschäften werden gerne seriös arbeitende Firmen zwischengeschaltet, die von dem Betrug nichts merken.

Besonders betrugsanfällig sind Branchen mit Gegenständen, die wenig Volumen, aber hohen Wert haben, bevorzugte Opfer von Kartellbetrug - etwa bei Produkten wie Handys und Computerchips. In jüngerer Vergangenheit gerieten auch CO2-Zertifikate ins Visier der Betrüger, da diese rein elektronisch gehandelt werden. Hier gab es laut dem Pressesprecher im Finanzministerium, Harald Waiglein, jüngst auch einen Fall, in dem ein österreichischer Trader betroffen war, der Schaden sei aber damals dem deutschen Staat entstanden.

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