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Gefahr für Deviseneinnahmen

Das österreichische Außenministerium hat angesichts der jüngsten Eskalation der Unruhen in Tunesien eine Reisewarnung für das ganze Land herausgegeben. Die seit Dezember 2010 andauernden gewalttätigen Zusammenstöße hätten sich bisher auf Gebiete abseits der wichtigen Tourismuszentren beschränkt, doch das treffe nicht länger zu, schreibt das Außenministerium am Donnerstag auf seiner Website.

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Grund für die Ausweitung der Warnung ist, dass es jetzt auch Unruhen und Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden in der Hauptstadt Tunis und in Touristen– bzw. Küstengebieten gibt, wo sich viele Touristen aufhalten, wie in Hammamet, Nabeul und den im Süden gelegenen Städten um den Chott El Jerid (Tozeur, Douz). Die weitere Entwicklung in dem Land sei unsicher und nicht vorhersehbar. Das Auswärtige Amt in Deutschland rät auf seiner Website ebenfalls von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Tunesien ab.

Demonstranten mit Schildern "Ben Ali Out"

AP/Claude Paris

Zerstörte Fahrzeuge blockieren die Straßen der Hauptstadt Tunis.

Warnung vor Reisen in die Sahara-Gebiete

Das Außenministerium warnte zudem vor Reisen in „alle Sahara-Gebiete“. Österreichische Reisende in die Sahara-Gebiete Tunesiens werden laut Ministerium ersucht, sich vor Reiseantritt mit der österreichischen Vertretungsbehörde in Tunis in Verbindung zu setzen. Im vergangenen Jahr haben 65.000 Österreicher Urlaub in Tunesien gemacht, 70 Prozent davon im Sommer.

Der Reiseveranstalter TUI Österreich reagierte auf den aktualisierten Sicherheitshinweis des Außenministeriums mit kostenlosen Umbuchungen und Stornierungen bis einschließlich 24. Jänner. Ausflüge, die in den Süden des Landes führen sowie Stadtprogramme seien abgesagt worden, hieß es in einer Aussendung vom Donnerstag.

Die Unruhen werden auf den Finanzmärkten mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Das Land gilt für Investoren als eines der attraktivsten in Nordafrika. Besonders gefährdet könnte der Tourismus sein, der für elf Prozent der Deviseneinnahmen des Landes sorgt.

Ben Ali: Preissenkung bei Lebensmitteln

Der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali räumte erstmals indirekt den Einsatz unangemessener Gewalt seiner Sicherheitskräfte bei den Unruhen im Land ein. „Ich habe das Innenministerium angewiesen, künftig auf ungerechtfertigte Waffengewalt zu verzichten“, sagte er am Donnerstag in seiner dritten Fernsehansprache seit Beginn der Massenproteste. Der 74-Jährige ließ außerdem anklingen, dass er 2014 nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl antreten werde. „Es gibt keine Präsidentschaft auf Lebenszeit“, sagte er. Er wolle die in der tunesischen Verfassung festgelegte Altersgrenze von 75 Jahren nicht ändern.

Ben Ali kündigte außerdem Preissenkungen für Lebensmittel, Meinungsfreiheit für Journalisten und eine unabhängige Untersuchungskommission an, die sich mit den Gewalttaten der vergangenen Wochen befassen solle. Erneut sprach er von „kriminellen Banden“, die die Gewalt anheizten. Ben Ali hatte in seinen früheren Ansprachen bereits zahlreiche Maßnahmen angekündigt, darunter die Schaffung von 300.000 Jobs, die bisher aber nicht dazu beigetragen haben, die Proteste einzudämmen.

Zahl der Toten steigt weiter

Die Zahl der Toten bei den blutigen Unruhen in Tunesien steigt unterdessen weiter an. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation FIDH sind bisher 66 Tote zu beklagen. Bei neuen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in der Stadt Kairouan wurden laut Augenzeugenberichten am Donnerstag zwei Menschen getötet. Auch in der Hauptstadt Tunis sei ein erstes Todesopfer zu beklagen.

In der Provinzhauptstadt Sidi Bouzid, wo die Proteste im vergangenen Monat begannen, gingen mehrere Tausende regierungsfeindliche Demonstranten auf die Straße. Sie protestieren nach eigener Darstellung gegen die hohe Arbeitslosigkeit, die Korruption und die Unterdrückung im Land. Der Regierung zufolge hat sich eine kleine Gruppe gewalttätiger Extremisten an die Spitze der Proteste gesetzt.

Demonstrationen in verschiedenen Landesteilen

Die nächtliche Ausgangssperre für Tunis begann Mittwochabend um 20.00 Uhr. Aber noch mehrere Stunden später kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Im Arbeitervorort Ettadamen starb ein 25-Jähriger nach Angaben von Familienangehörigen durch einen Kopfschuss. Die Regierung äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall.

Demonstranten mit Schildern "Ben Ali Out"

AP/Claude Paris

Tunesier protestierten gegen Staatschef Zine el Abidine Ben Ali.

In Sidi Bouzid gingen nach Telefonberichten von Einwohnern bis zu 10.000 Menschen auf die Straße. Sie hätten nicht nur gegen die Arbeitslosigkeit protestiert, sondern auch Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefordert.

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