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An „chinesischen Hintermann“ verkauft

Hinter der Industriespionage beim französischen Autobauer Renault steht laut einem Pressebericht möglicherweise China. „Renault verdächtigt einen chinesischen Hintermann“, berichtete die Zeitung „Le Figaro“ am Freitag unter Berufung auf Firmenkreise. Auch die französischen Geheimdienste hielten die chinesische Spur für die wahrscheinlichste.

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Das Büro des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy habe den Geheimdienst DCRI mit der Untersuchung beauftragt, hieß es am Freitag in Regierungskreisen. Ein auf Wirtschaftsspionage spezialisierter Abgeordneter der Regierungspartei UMP bestätigte den Verdacht gegen die Volksrepublik. Die Informationen zum Elektroauto, dem Vorzeigeprojekt von Renault, sollen über Mittelsmänner verkauft worden sein. Der Autobauer wollte den Bericht nicht kommentieren.

Frankreichs Industrieminister Eric Besson hingegen bezog umgehend Stellung: Die Angelegenheit lasse sich am besten mit dem Begriff „Wirtschaftskrieg“ beschreiben, erklärte er vor Journalisten. Der französische Staat hält 15 Prozent an Renault.

Hohe Führungskräfte suspendiert

Das Unternehmen hatte am Montag drei Führungskräfte suspendiert, die laut Presseberichten Details zur Batterie und zum Motor der strombetriebenen Fahrzeuge weitergegeben haben sollen. Renault spricht bei dem Spionagefall von einem Angriff auf sein „strategisches, intellektuelles und technologisches Eigentum“. Details über die Affäre sickerten bisher nur tröpfchenweise durch. Renault sprach lediglich von „sehr ernsten Vorgängen“.

Die suspendierten Manager hätten in dem Unternehmen „besonders strategische Positionen“ innegehabt. Nach übereinstimmenden Quellen gehörte einer von ihnen zu den 30 Mitgliedern des Direktoriums, die unmittelbar Konzernchef Carlos Ghosn unterstellt sind. Ein anderer war demnach an der Entwicklung der Elektroautos beteiligt, dem Vorzeigeprojekt des Unternehmens. Es soll sich dabei um den stellvertretenden Leiter des Elektroauto-Programms handeln.

Bisher vier Milliarden investiert

Der Spionagefall könnte für den französischen Autobauer Millionenverluste bedeuten. Der Autobauer, der Klage gegen die Manager ankündigte, investierte zusammen mit seinem japanischen Partner Nissan vier Milliarden Euro in die Entwicklung der E-Autos. 1,5 Milliarden davon flossen in die Batterieentwicklung.

Elektroauto wird an einer Steckdose aufgeladen

picturedesk.com/EPA/Ian Langsdon

Ein Renault-E-Auto-Prototyp wird an der Steckdose aufgeladen.

Renault und Nissan setzen angesichts steigender Spritpreise und immer strengerer Umweltauflagen für Verbrennungsmotoren auf eine wachsende Nachfrage nach Elektroautos. Nach Einschätzung von Renault könnten diese Fahrzeugtypen bis zum Jahr 2020 in Frankreich zehn Prozent des Marktes ausmachen.

Noch führend in neuer Technologie

Die Affäre trifft das französisch-japanische Duo umso härter, als es einem immer schärferen Wettbewerb ausgesetzt ist. Auch die Konkurrenz arbeitet an Elektrofahrzeugen, sei es in Frankreich, Deutschland oder eben auch in China. Frankreich ist zusammen mit seinen japanischen Partnern führend bei der Entwicklung der Elektroautos und fürchtet durch die Spionage, diese Rolle zu verlieren. China verfolgt ebenfalls ein ehrgeiziges E-Auto-Programm. Erst Ende Oktober hatte die Regierung erklärt, dass in den Fahrzeugen die Zukunft der Autoindustrie des Landes liege.

„Große Versuchung, zu plündern“

Mitte dieses Jahres will Renault zwei Modelle mit Elektromotoren auf den Markt bringen, das Familienauto Fluence und das kleine Nutzfahrzeug Kangoo Express. Bis spätestens Mitte 2012 sollen zwei andere Elektromodelle folgen, der Kleinwagen Twizy und die zur unteren Mittelklasse gehörende Limousine Zoe. Nissan verkauft sein erstes elektrisches Auto für den Massenmarkt, den Leaf, bereits in den USA und Japan.

Die Autoindustrie ist besonders anfällig für Wirtschaftsspionage: Es dauere gut zehn Jahre, ein neues Modell zu entwickeln, erläutert der französische Abgeordnete Bernard Carayon, der sich seit längerem mit der Problematik befasst. „Da ist die Versuchung, Technologie zu plündern, natürlich groß.“

Besserer Schutz geplant

Um die Industriegeheimnisse Frankreichs in Zukunft besser zu schützen, plant die Regierung ein Gesetz. Der Staatssekretär für Außenhandel, Pierre Lellouche, sprach sich dafür aus, das bereits im vergangenen Jahr gestartete Projekt nun voranzutreiben. Industrieminister Eric Besson kündigte am Donnerstag im Fernsehsender RTL eine Verschärfung der Regelungen an, um Betriebsgeheimnisse in jenen Unternehmen zu schützen, die staatliche Unterstützung für Neuentwicklungen erhalten. Der Spionagefall sei eine „ernste Angelegenheit“, für die der Begriff „Wirtschaftskrieg“ durchaus angemessen sei, sagte Besson im Fernsehsender RTL.

Auch Frankreich spioniert

Andererseits scheint Frankreich selbst in Sachen Wirtschaftsspionage nicht gerade zimperlich zu sein - das geht jedenfalls aus einem diplomatischen Notenwechsel hervor, den die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichte. Demnach hat Berry Smuty, Chef des deutschen Satellitenherstellers OHB Technology, Frankreich vorgeworfen, regelmäßig „Technologien zu stehlen“. Das habe der deutschen Industrie mehr Schaden zugefügt als die Wirtschaftsspionage durch China und Russland, wird Smuty in einer Note vom 20. November 2009 zitiert.

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