Wenn Blitze mahnen und Wolken reißen
Schneechaos, Stürme, Hochwasser - extreme Wetterereignisse werden häufig als Auswirkung des Klimawandels gesehen. Auch im Mittelalter vollzogen sich allerdings klimatische Veränderungen. Ein Grazer Germanist hat sich auf eine literarische Spurensuche danach begeben.
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Matthias Melcher analysierte in seiner Diplomarbeit am Institut für Germanistik der Uni Graz („Donnerwetter! Studie zur Darstellung und Symbolkraft von Unwetterphänomenen in der mittelalterlichen Literatur“) über 200 Textstellen aus mittelalterlichen Werken. Deutlich wird, dass die Menschen dieser Epoche ungleich wetterabhängiger waren und immer wieder in ihrer Existenz bedroht waren.
Gewitter für Sünder geschickt
Die Texte der Zeit liefern vorwiegend religiöse Interpretationen von Unwetterereignissen. „Die mittelalterliche Weltsicht war durchdrungen vom christlichen Glauben. Daher wurden meist Gott, der Heilige Geist oder aber auch der Teufel als Verursacher von Wetterphänomenen betrachtet“, so der Autor.
So berichtete der Stricker, ein mittelhochdeutscher Dichter, Blitze würden vom Heiligen Geist gesendet. Sie sollten das schlafende Herz der Sünder und Sünderinnen wecken und sie auf den Pfad der Tugend zurückführen.
Wie man 1350 Gewitter erklärte
Außergewöhnlich hingegen ist die rationale Erklärung des Gewitters im „Buch der Natur“, entstanden um 1350. Verfasser Konrad von Megenberg suchte nach einer naturwissenschaftlichen Erklärung: Er schreibt von aufsteigendem heißen Dunst, der auf die kalten Wolken trifft, wodurch „ein Reißen“ entstehe, das Blitz und Donner erzeuge.
Klima trieb Menschen auf die Berge
Germanist und Geograf Melcher interessierte sich auch für die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf das Leben der Menschen: „Vom 7. Jahrhundert bis um 1000 gab es eine Kaltphase, das sogenannte ‚Frühmittelalterliche Pessimum‘. Darauf folgte eine Warmzeit, das ‚Mittelalterliche Optimum‘, bis etwa 1300. In der anschließenden ‚Kleinen Eiszeit‘ fiel die Temperatur wieder.“
Als Folge der Klimaerwärmung zogen die Menschen auch in hochalpine Lagen, unter anderem, um dort im Sommer ihr Vieh zu weiden. Auf vielen Pässen wurden Hospize erbaut. „Mittelalterliche Quellen verweisen darauf, dass der Hospizverwalter vorrangig die Aufgabe hatte, Reisende in Notlage aufzunehmen, wie zum Beispiel bei einem Gewitter“, berichtete Melcher.
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