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„Mathematisch notwendiger Verrat“

Mit großen Versprechen, die maroden Finanzen Kaliforniens zu sanieren und um „to clean house“ (das Haus sauber zu machen, Anm.) ist Arnold Schwarzenegger 2004 als Gouverneur angetreten. Doch sieben Jahre später ist das Defizit höher als das, weswegen Schwarzenegger seinen Vorgänger Gray Davis mit einem Recall-Verfahren frühzeitig im Amt ablöste.

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Und der Schuldenberg ist in der Amtszeit des selbst ernannten Aufräumers - im Wahlkampf trat Schwarzenegger mit dem Besen auf - sogar dramatisch gestiegen. Das geschah zum Teil unverschuldet durch die Wirtschaftskrise, doch der „Governator“ hat daran durchaus auch seinen Anteil - etwa mit Steuersenkungen vor seiner Wiederwahl im Jahr 2006.

Für die meisten Kommentatoren und Beobachter fällt die Bilanz des vom Bodybuilder über den Hollywood-Star zu einem der wichtigsten US-Politiker aufgestiegenen Steirers daher bestensfalls durchwachsen aus. Gemessen an seinen Zielen halten ihn viele für gescheitert. Als seine größten Erfolge gelten die scharfen Umweltgesetze und eine Teilreform des Wahlrechts. Dessen Zweckmäßigkeit ist aber umstritten und wird sich erst mit der Zeit zeigen, wie etwa das „Wall Street Journal“ in einem Kommentar vermerkte.

Arnold Schwarzenegger hält eine Ansprache

APA/EPA/John G. Mabanglo

Bis zum Schluss lieber „bärig“ drauf als eine „lahme Ente“

Sisyphos-Aufgabe in Sacramento

Einem Kommentar der „Los Angeles Times“ („L. A. Times“) zufolge könnte sich Schwarzenegger aber künftig als „Held“, freilich der etwas anderen Art, entpuppen. Denn Schwarzenegger sei letztlich nicht an sich selbst und seiner Politik gescheitert, sondern am politischen System in Kalifornien: Gravierendere Veränderungen im Budget sind nur mit Zweidrittelmehrheiten im Parlament möglich. Angesichts der Pattstellung von Demokraten und Republikanern wurde das zur fast unüberwindbaren Hürde für Schwarzenegger. Dazu kommt das Volksabstimmungssystem, das dem Staat ständig neue Ausgabenpflicht auferlegt, die längst nicht mehr finanzierbar sind.

Schwarzenegger habe den Kaliforniern wie kein anderer Gouverneur jemals zuvor die Absurdität dieses Systems vor Augen geführt - und zwar dadurch, dass er mit einem „unerbittlichen Pragmatismmus“, ohne Rücksicht auf seine republikanische Partei und selbst um den Preis, seine eigenen Anhänger und Wähler vor den Kopf zu stoßen, alle Möglichkeiten versuchte, die Budgetkrise in den Griff zu bekommen. Nicht seine Erfolge, sondern sein Scheitern und seine Fehler könnten demnach Schwarzenegger zu einem Helden machen.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt das „Weltjournal: USA - Schwarzenegger Abschied“ am Mittwoch um 22.30 Uhr - mehr dazu in tv.ORF.at.

Skrupellos experimentell

Der Ex-Bodybuilder kürzte mehrmals bei den Ausgaben und trat für Ausgabenobergrenzen ein. Aber er plädierte auch für höhere Bildungsausgaben. Er forderte die Auflösung jener Programme, die den Kaliforniern eine medizinische Versorgung und Versicherung garantierten. Gleichzeitig versuchte er ein Jahr lang vergeblich, eine allgemeine medizinische Grundversorgung zu etablieren.

Er versuchte, neue Infrastrukturprojekte auf die Beine zu stellen, während er sich gleichzeitig für die Privatisierung durch den Verkauf von Gebäuden und Immobilien in Staatsbesitz einsetzte. Er unterstützte Gesetze, die zu höheren Häftlingszahlen führen und versuchte andererseits eine Liberalisierung durchzusetzen, um das Problem der Überbelegung in den kalifornischen Gefängnissen zu lindern und gleichzeitig Geld zu sparen.

Arnold Schwarzenegger liegt in einem Krankenbett

APA/EPA/Duncan McIntosh/Office of the Governor

Das wichtigste „Governator“-Utensil neben der Zigarre: Füllfederhalter

Master of Chutzpah?

Er grenzte die Möglichkeiten, Schulden aufzunehmen, ein - als aber zur Erstellung des Budgets kein anderer Weg blieb, umging er die von ihm selbst eingeführten Regeln. Er lehnte Mineralölsteuern vehement ab - nur um später selbst eine vorzuschlagen.

Als erste Maßnahme bei Amtsantritt senkte Schwarzenegger die Autokennzeichenabgabe - und hob sie selbst 2009 wieder an. Schwarzenegger zog die Demokraten, die Steuererhöhungen zur Finanzierung der Staatsausgaben forderten, als „Verlierer“ und „Girlie men“ durch den Kakao. Ohne sich je dafür zu entschuldigen, forderte der Gouverneur selbst Steuererhöhungen und rügte seine eigene Partei, dass sie bei dem „mathematisch notwendigen Verrat“ nicht mitmache. Allein dafür gebühre Schwarzenegger ein Platz in der „Chutzpah Hall of Fame“, so Joe Mathews in der „L. A. Times“.

Schwarzenegger habe zig Millionen aus der eigenen Tasche in die Kampagnen für Referenden gesteckt, um die eigenen Vorschläge durch- und Kalifornien „aus dem Dreck“ zu bringen.

„I love sequels“

Kritiker aller Lager hätten versucht, das Versagen als eines von Schwarzenegger persönlich hinzustellen. Doch dessen Fehler reichten nicht aus, um das weitreichende Versagen zu erklären, so Mathews. Freilich gibt es auch eine andere Sichtweise: Schwarzenegger sei zu sprunghaft gewesen und habe nicht die nötige Ausdauer gezeigt, um seine Vorschläge durchzuboxen.

Amtseid abgelegt

Jerry Brown trat am Montag offiziell sein Amt als Gouverneur von Kalifornien an. In der Hauptstadt des US-Bundesstaates, Sacramento, legte der Demokrat den Amtseid ab. Der 72-Jährige erbt von seinem Vorgänger Arnold Schwarzenegger einen Bundesstaat am Rande des Bankrotts. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 12,4 Prozent weit über dem US-Durchschnitt.

Der neue Gouverneur Jerry Brown hat es bisher vermieden, zu sagen, wie er die Finanzprobleme angehen will. Es könnte aber sein, dass sich der Weg des Demokraten viel weniger von demjenigen Schwarzeneggers unterscheiden wird, als Gegnern des „Governators“ lieb sein kann - Brown hat sogar einen Großteil des Finanzteams von Schwarzenegger übernommen. Das wäre dann wohl wieder ein Grund für den Ex-Filmstar, wie nach seiner Wiederwahl 2006 zu jubeln: „I love sequels“ („Ich liebe Fortsetzungen“). In seiner Antrittsrede betonte Brown, dass man nun „mit Realismus, Vertrauen und Loyalität zusammenarbeiten“ müsse. Gleichzeitig schwor er die Kalifornier auf schwere Zeiten ein und kündigte bereits für die kommenden Woche ein „hartes Budget für harte Zeiten“ an.

Schwarzenegger selbst bedankte sich in seiner letzten wöchentlichen Radioansprache kurz vor der Amtsabgabe bei den Bürgern, „für die Ehre, als Gouverneur gedient haben zu dürfen“. „Ich kam vor vier Dekaden mit absolut nichts nach Kalifornien. Weil der Staat mich mit offenen Armen empfangen hat, habe ich alles gewonnen. Meine Familie, meine Karriere, alle meine Erfolge“, so Schwarzenegger weiter: Die Möglichkeit, das als Gouverneur zurückgeben zu können, sei ein ihm innewohnender Traum gewesen, der wahr geworden sei.

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