Lachen über eine ungerechte Welt
Stan Laurel und Oliver Hardy, als „Dick und Doof“ zu Slapstick-Lachnummern verhackstückt, wurden jahrzehntelang unter ihrem Wert gehandelt. Nun bietet eine im Zsolnay Verlag erschienene Monografie von Sven Hanuschek Gelegenheit, die beiden Komiker neu zu entdecken.
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Weniges ist so der Zeit verhaftet wie der Humor. Sigmund Freud schrieb 1905 ein luzides Buch über den Witz und wie er funktioniert. Amateurhaft zusammengefasst: Humor entsteht durch die Verschiebung von Sinninhalten. Spannung aufbauen, am besten durch das Ansprechen eines Tabuthemas, dann folgt die Entladung. Aber Tabus ändern sich, an den Witzen, die Freud als Beispiele anführt, kann man das gut sehen. Man braucht sich nur Wiederholungen von „Al Bundy“ anzusehen. Anfang der 90er Jahre war das lustig.

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Stan Laurel und Oliver Hardy in Aktion.
Studium in der Hotellobby
Aber gibt es auch Humor, der die Zeiten überdauert? Geiz, Neid und Schadenfreude etwa sind Themen, die quer durch die Geschichte existieren und immer, zumindest ein bisschen, tabubeladen sind. Während Freud für sein Buch recherchierte, saß ein junger, fettleibiger Bursche viel in einer Hotellobby in einem Kaff in Georgia herum, weil seine Mutter dort arbeitete. Der junge Hardy beobachtete dort mit Vorliebe Geschäftsreisende, aufgeblasene Kerle, die weltmännisch taten und denen man ihre Provinzialität dennoch bei jedem Schritt anmerkte.
Hardy begann, all die verschiedenen Typen, die ihm dort begegneten, zu imitieren. Singen konnte er auch, und so entschied er sich als 20-Jähriger, zum Film zu gehen. Es sollte zwei Jahre dauern, bis er 1914 fixe Arbeit als Schauspieler fand. Fortan bekam er in zahlreichen Komödien meist kleinere, selten größere Rollen.
Auf der Bühne mit Charlie Chaplin
Laurels Biografie verlief glatter, zumindest, was seine Karriere betrifft. Er wurde 1890 in England in eine Schauspielerfamilie hineingeboren. Mit seinen Eltern und Geschwistern tourte er hauptsächlich mit Lustspielen und Sketches zunächst durch Großbritannien, später auch durch die USA. Dabei entwickelte er ein untrügliches Gefühl dafür, was beim Publikum geht und was nicht. Kam eine Pointe wiederholte Male nicht an, wurde sie gestrichen und durch eine neue ersetzt.
Charlie Chaplin hatte damals schon einen Namen als Leinwandstar und Laurel schaffte es, in dessen Theatertruppe zu kommen und mit ihm gemeinsam herumzuziehen. Schon bald war auch Laurel beim Film gelandet, er spielte eine Hauptrolle, die Chaplin abgelehnt hatte. In den legendären Studios von Hal Roach in Culver City bei Los Angeles traf er auf Hardy. Die beiden traten teilweise in denselben Filmen auf, aber noch nicht als eingeschworenes Duo in Hauptrollen. Laurel genoss großes Vertrauen vonseiten Roachs, der ihn bald auch Drehbücher schreiben und Regie führen ließ.
Der Wichtigtuer und der Tölpel
1927 drehten Laurel und Hardy zusammen den Film „The Second Hundred Years“. Von da an waren die Rollen klar verteilt und das Team wurde von Mitarbeitern des Hal Roach Studios als solches erkannt. Einige Lang- und unzählige Kurzfilme folgten. Hardy gab den besserwisserischen Wichtigtuer, Laurel den tollpatschigen Tölpel. Ihre charakteristische Mimik und ihr Repertoire an Typen hielten die beiden bis zum letzten Film „Atoll K“ (1950) durch.
Ollie schaut seufzend in die Kamera, um sich dann zu Stan zu wenden: „Da hast Du uns ja wieder was Schönes eingebrockt.“ Stan lächelt naiv, nickt mit dem Kopf und stolpert von einer Katastrophe in die nächste. Hardy spielt dabei seine Qualitäten als Kabarettist aus, bei Laurel rückt das Clowneske in den Vordergrund. Die Muster mancher Bewegungen und einzelner Sketches kann man bis zur italienischen Commedia dell’arte zurückverfolgen. Laurel, der die meisten Drehbücher schrieb, verstand sich selbst als ernsthafter Künstler und überließ nichts dem Zufall.
Geschändete Filme
Dass in Europa und speziell im deutschsprachigen Raum Chaplin und Buster Keaton als Schauspieler höchste Verehrung genossen, Laurel und Hardy aber als Slapstick-Schund für Schenkelklopfer abgetan wurden, hat weniger mit den beiden zu tun als damit, was ihren Filmen später angetan wurde. Meist wurden einzelne Sketches herausgeschnitten und in Comedy-Sendungen zusammengewürfelt, noch dazu halblustig auf Deutsch synchronisiert. Teilweise wurden sogar Sketches zu Pseudolangfilmen aneinandergereiht. Und dann der Titel - „Dick und Doof“.

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Verkleidungskünstler mit charakteristischer Mimik
Dabei ging die Intention von Laurel als Drehbuchschreiber, jene der Regisseure der Hal Roach Studios und auch die von Laurel und Hardy als Schauspieler völlig verloren. Zu ihren Zeiten waren die beiden jedoch Stars. Als sie Mitte der 30er Jahre gemeinsam nach Großbritannien reisten, wurden sie von kreischenden Mengen empfangen wie später die Beatles. Stets wurden sie auch von Intellektuellen als wahre Künstler rezipiert.
„Erfreulicher als Chaplin“
Graham Greene schrieb 1940 im „Spectator“ über den 1940 nach längerer Schaffenspause erschienenen Film „A Chump At Oxford“: „Laurel und Hardy sind wieder da! Das ist eine erfreulichere Nachricht als jede frohe Botschaft, die die Zeitungen sonst verkünden. ‚A Chump At Oxford‘ gehört zu ihren besten Filmen, die nach Urteil mancher Lästermäuler erfreulicher sind als die von Chaplin. Ihre Clownerien sind pure. Sie geben nicht vor, eine unverbesserliche Welt verbessern zu wollen, und sie hatten nie den Ehrgeiz, auch noch den Hamlet zu spielen.“
Buch- und Veranstaltungshinweis
Sven Hanuschek: Laurel & Hardy. Eine Revision. Zsolnay, 219 Seiten, 20,50 Euro.
Das Buch wird am Donnerstag um 20.30 Uhr in Wien im Österreichischen Filmmuseum präsentiert. Im Anschluss sind folgende Laurel-und-Hardy-Filme zu sehen: „Two Tars“ (1928), „Helpmates“ (1932) und „County Hospital“ (1932).
„A Chump At Oxford" liegt mittlerweile in seiner langen Version (rund 60 Minuten), ordentlich synchronisiert und renoviert vor (zu empfehlen sind die auch sonst liebevoll arrangierten Kinowelt-DVD-Boxen, so man sie noch zu erschwinglichen Preisen ergattert). Der Film ist ein schöner Startpunkt für alle, die Laurel und Hardy neu entdecken wollen, er ist eine Synthese ihres umfangreichen Schaffens. Wenn man so etwas wie eine Grundaussage der beiden aus den Filmen filtern will, dann vielleicht: Die Welt ist ungerecht und schlecht - und von Idioten bevölkert (wobei jene, die sich für intelligent halten, die größten Idioten sind); und jetzt lasst uns herzlich darüber lachen.“
Spießigkeit und Scheinmoral
Im Oxford-Film bewerben sich die beiden als Butler-Ehepaar. Laurel tritt (nicht zum ersten Mal) als Frau auf. Als das schiefgeht, werden sie Straßenkehrer und stellen zufällig einen Bankräuber. Auch hier ein häufig verwendetes Motiv: die Zufallsheldentat. Vom Bankdirektor werden die beiden Analphabeten mit einem Oxford-Stipendium belohnt. Auf der Uni erwarten sie überhebliche Studenten, die ihnen jeden erdenklichen Streich spielen. Die Großkotzigkeit der Bildungsbürger wird auf die Schaufel genommen.
„Laurel und Hardy“-Filme sind zumeist beißende Gesellschaftssatiren. Die Spießigkeit des Bürgertums, der Geiz des Kapitals, die brüchige Scheinmoral der Kleinfamilie (beide Schauspieler waren mehrfach geschieden), die billigen Ausbruchsversuche aus dem Hamsterrad des Alltags (Hobbys, Urlaube), diese und ähnliche Themen werden in Abenteuergeschichten gepackt - mit dem roten Faden der Dauerbeziehungskrise zwischen Stan und Ollie in ihren Anzügen samt der obligatorischen Melonen.
Zeitgemäß und einfach lustig
All diese Problemfelder existieren heute noch, nur die Mode ist anders - und die Technologie. Insofern sind die Filme zeitgemäß. Aber hat sich auch der Gehalt der Pointe über die Jahre gerettet? Kann man wirklich lachen? Teils, teils. „A Chump At Oxford“ enthält einzelne Lacher und eine Handlung, die spannend genug ist, um über die Phasen des Schmunzelns zu tragen. Wer nur die zu schnell abgespielten „Dick und Doof“-Sketches mit hektischer Musik im Hintergrund kennt, die das Fernsehen in den 70er und 80er Jahren gezeigt hat, sollte Laurel und Hardy unbedingt noch eine Chance geben.
Die Wiederentdeckung der beiden macht noch mehr Spaß, wenn man dazu Sven Hanuschecks „Laurel & Hardy. Eine Revision“ liest. Sie verknüpft die spannende und lustige Biografie der beiden (Hardys Golfwahn!) mit Hintergründen zur Komödie ihrer Zeit und Deutungen und Erklärungsmustern der Langfilme, der Sketches und der einzelnen Motive. Laurels immer wiederkehrendes Ohrenwackeln wurde übrigens von Mitarbeitern bewerkstelligt, die an Fäden zogen.
Golfen in den Highlands
Eine Frage, die man sich als Laurel-und-Hardy-Liebhaber gezwungenermaßen stellt, wird in dem Buch ebenfalls beantwortet: Die beiden waren auch privat enge Freunde, nachdem Hardy Laurel bei dessen Reise zu seinen Wurzeln in der alten Heimat Großbritannien begleitet hatte. Hardy war mitgekommen, weil er von den tollen Golfplätzen in Schottland gehört hatte. Als Hardy 1957 an den Folgen eines Schlaganfalles starb, soll Laurel tagelang nicht sprechen haben können. Sein Arzt verbot ihm sogar, zum Begräbnis zu gehen. Laurel starb 1965 an den Folgen eines Herzinfarkts. Es lohnt sich, den Schatz zu bergen, den die beiden hinterlassen haben.
Simon Hadler, ORF.at
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