„Sehr ernster Terrorakt“
Am Tag nach einem Selbstmordanschlag in einer belebten Fußgängerzone in Schwedens Hauptstadt Stockholm ist von der Polizei von einem „sehr ernsten Terrorakt“ die Rede. Verdeutlicht wurde zudem, dass bei der Tat offenbar nur durch Zufall nicht mehr Opfer zu beklagen waren. Nicht kommentiert wurden bei einer Pressekonferenz am Sonntag aber Medienberichte über eine Drohmail und die Identität des Attentäters.
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Demnach haben sowohl die Nachrichtenagentur TT als auch die Polizei unmittelbar vor den Explosionen eine Drohmail und den auf Band gesprochenen Abschiedstext eines Mannes bekommen. Es wurde bisher aber nicht offiziell bestätigt, dass der Selbstmordattentäter der Absender der in Schwedisch und Arabisch verfassten Texte war. Ein Polizeisprecher lehnte es auch ab, sich zu Medienberichten zu äußern, wonach es sich bei dem Täter um einen Iraker handeln soll.
Nach Informationen der Zeitung „Aftonbladet“ soll der Absender der Drohmail und des gesprochenen Textes ein 28-jähriger Mann sein, der mit seinem vollen Namen unterschrieben hat. Von ihm gebe es auch Märtyrer-Videos auf Facebook.
Aufruf zum „Heiligen Krieg“ gegen Schweden
In den Drohmails soll der Mann zum „Heiligen Krieg“ gegen Schweden aufgerufen haben. Seinen Aufruf zum Terror soll der Mann unter anderem mit dem „Schweigen des schwedischen Volkes“ zur Mohammed-Karikatur des heimischen Künstlers Lars Vilks sowie die Anwesenheit schwedischer Soldaten in Afghanistan begründet haben.
Die Drohung per E-Mail vor der Explosion spricht nach Expertenansicht gegen eine Verbindung des Attentäters zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Denn die Terroristen, die auf den Befehl der Führung um Osama bin Laden hören, hatten sich bisher nur nachträglich zu ihren Taten geäußert, etwa durch die Veröffentlichung von „Märtyrer-Botschaften“.
Der zuständige Staatsanwalt Thomas Lindstrand kündigte schnelle Ermittlungen zur Frage möglicher Mittäter an. Grundsätzlich erwarte man keine neue akute Gefährdung für Schweden, hieß es weiter. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren.
Reinfeldt verteidigt „offene Gesellschaft“
Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verurteilte den Anschlag scharf. Seine Regierung werde sich dadurch aber nicht von ihrem Eintreten für eine „offene Gesellschaft“ abhalten lassen, sagte Reinfeldt am Sonntag vor Journalisten. Er warnte zudem vor voreiligen Schlüssen und bezeichnete die Ereignisse - die Explosionen, einen Toten, der „umfassende Mengen Sprengmittel bei sich trug“, sowie die an die schwedische Nachrichtenagentur TT und die Sicherheitspolizei SÄPO ergangene Droh-E-Mail - als „unerwünscht und inakzeptabel“.
Die Regierung stehe in ständigem Kontakt mit Staatsanwaltschaft und Polizei. Wenn es sich als notwendig erweisen sollte, werde die Regierung jederzeit die nötigen Schritte unternehmen, sagte der Regierungschef. Gleichzeitig ersuchte Reinfeldt das schwedische Volk, das sich in der gegenwärtigen Situation „natürlich eine Reihe verständlicher Fragen“ stelle, um Geduld.
Unterdessen rief die schwedische rechtsextremistische Partei „Nationaldemokraten“ als Reaktion auf den Anschlag zu Protesten gegen „Multikultur und Terror“ auf. Gefordert wurde unter anderem ein „Stopp der umfassenden Einwanderung aus den muslimischen Ländern sowie die ehestmögliche Rückkehr aller Einwanderer, die schon hergekommen sind“.
Mit Reißnägeln und Sprengstoff gefüllter Rucksack
Der Attentäter war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggergatan im Stadtzentrum kurz vor 17.00 Uhr sofort tot. Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung „Dagens Nyheter“: „Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte.“ Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden erste Hilfe zu leisten: „Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät.“ Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt.
Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt an der Ecke Olof-Palme-Gatan zur Drottninggatan ein Auto explodiert. Die Drottninggatan ist vor allem an den Dezember-Wochenenden Stockholms meistbesuchte Einkaufsstraße. Die Menge flüchtete nach der Explosion in wilder Panik. Augenzeugen berichteten, dass sie in dem geparkten Auto mindestens eine Gasflasche gesehen hätten.
In ersten Kommentaren aus Stockholm wurde vermutet, dass sich der Attentäter wahrscheinlich erst auf der von Menschen wimmelnden Drottninggatan in die Luft sprengen wollte. „Wenn das gelungen wäre, hätte es ein furchtbares Massaker gegeben“, zitierte die Zeitung „Aftonbladet“ einen namentlich nicht genannten Behördensprecher.
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