Absage an Ampelkennzeichnung
Die Verbraucherminister der Europäischen Union (EU) haben sich am Dienstag auf eine neue Lebensmittelkennzeichnung geeinigt. Im Kampf gegen die Volkskrankheit Übergewicht sollen damit erstmals europaweit Nähwerttabellen auf den Verpackungen Pflicht werden. Verbraucher sollen somit künftig schneller und besser den Zucker-, Fett- und Salzgehalt eines Lebensmittels erkennen können.
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Zudem müssen bestimmte Produkte, darunter etwa Energy-Drinks, einen Warnhinweis für Schwangere und Kinder tragen. Mit den neuen Regeln sollen auch Mogelpackungen mit Lebensmittelimitaten wie Analogkäse, Schinkenersatz und Klebefleisch verhindert werden. Bei nicht verpackter Ware müssen Geschäfte auf allergieauslösende Stoffe hinweisen. Alle Angaben der Nährwerttabelle beziehen sich auf 100 Gramm oder 100 Milliliter des Produkts. Alkohol soll nicht gekennzeichnet werden.
Die neuen Regeln treten in Kraft, wenn das Europaparlament zugestimmt hat. Die Abstimmung ist für Juni kommenden Jahres geplant. In Kraft treten sollen die neuen Regeln ab 2014. Nicht kommen wird demnach eine EU-weite Kennzeichnung in Ampelfarben. Die von Ernährungsexperten geforderte Maßnahme fand keine Mehrheit unter den EU-Ministern. Mit Rücksicht auf die Lebensmittelproduzenten lehnten es die EU-Staaten ab, einen besonders hohen Fett- oder Zuckergehalt mit roter Farbe kenntlich zu machen, einen mittleren mit Gelb und einen niedrigen mit Grün.
„Echter Fortschritt“
Nach Ansicht der EU-Minister ist mit der Täuschung von Verbrauchern nun Schluss, da die Informationen auf den Verpackungen nun ausführlicher, leichter verständlich und besser lesbar werden. EU-Verbraucherkommissar John Dall sprach von „einem echten Fortschritt im Bereich der Lebensmittelinformation.“
Fünfpunkteprogramm
In Österreich wurde im September vom Gesundheitsministerium mit der Lebensmittelcharta ein Fünfpunkteprogramm für bessere Lebensmittelkennzeichnung präsentiert. Auch hier sind verpflichtende Nährwertkennzeichnungen und Mindestschriftgrößen vorgesehen. Zudem soll „so schnell wie möglich“ das Gütezeichen „gentechnikfrei“ in Österreich umgesetzt werden.
Von einem „Meilenstein in der Lebensmittelkennzeichnung“ sprach im Vorfeld der Einigung auch Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Demnach wurden wesentliche Punkte wie eine verpflichtende Nährwerttabelle auf allen Lebensmitteln, eine verpflichtende fixe Schriftgröße und eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch beschlossen: „Dadurch kann man auf einen Blick Produkte vergleichen und herausfinden, welches mehr Kalorien hat oder mehr Zucker enthält“.
Dank der neuen Regelung wird laut Stöger auch „Käse, der keine Milch enthält, oder Schinken, der nicht aus für Schinken typischen Fleischteilen hergestellt wird“, klar erkennbar sein.
„Erheblich reduzierter Fleischanteil“
Doch nicht nur Verbraucherschützer gehen die neuen EU-Regeln nicht weit genug. Trotz grundsätzlicher Zustimmung kritisierte auch Deutschlands Gesundheitsministerin Ilse Aigner (CSU) etwa die geplante Kennzeichnung von Lebensmittelimitaten als zu wenig weitgehend. „Man hätte das Wort Käseimitat nehmen können“, sagte die Ministerin, stattdessen werde auf unklare Umschreibungen wie „Käse aus Pflanzenfett“ zurückgegriffen. Auch bei Schinkenimitaten dürfte laut Aigner eine Kennzeichnung wie „Pizza mit zerkleinerten Zutaten mit erheblich reduziertem Fleischanteil“ weiter Fragen offenlassen.
Aigner will sich in den weiteren Beratungen zudem dafür einsetzen, dass nicht nur auf der Rück-, sondern auch auf der Vorderseite der Verpackung wesentliche Informationen stehen. Dennoch sei der Ministerin zufolge der Kompromiss angesichts des Widerstands einiger EU-Länder zu begrüßen: „Ich bin froh, dass überhaupt eine Kennzeichnung erfolgt.“
Zusammen mit vier weiteren Staaten gab Deutschland zudem eine Erklärung zu Protokoll, in der klarere Angaben zur verpflichtenden Herkunftsangabe bei Fleisch und eine Kosten-Nutzen-Rechnung gefordert werden. Bei Fleisch soll künftig lediglich der Ort der Verpackung genannt werden. Laut Aigner dürfte den Verbraucher allerdings auch interessieren, woher die Tiere stammen, und nicht nur, „wo das Fleisch verpackt wird“.
„Pure Augenauswischerei“
Verbraucherschützer und auch einzelne Europaabgeordnete sprachen unterdessen von einem geschickten Schachzug der Lebensmittelindustrie. Von „purer Augenauswischerei“ und „einer schallenden Ohrfeige für die Verbraucher“ ist die Rede. „Das ursprüngliche Ziel wurde geopfert, um die Profite der Lebensmittelindustrie nicht zu gefährden“, bemängelte etwa die deutsche Verbraucherschutzorganisation Foodwatch: Angaben in „Minischrift“ und dann noch auf der Rückseite von Verpackungen, das sei nicht verbraucherfreundlich.
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