Neuordnung des Telekommarkts
2012 führt mit RTR-Telekomregulator Georg Serentschy ein Österreicher den Vorsitz im Gremium der europäischen Regulierungsbehörden für Telekommunikation (GEREK). In den kommenden Monaten stehen Entscheidungen an, die den Charakter unserer Netze grundlegend verändern werden - vom Umgang mit Skype und Netzvideos bis hin zum Roaming.
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Das Gremium wählte Serentschy, Geschäftsführer des Bereichs Telekommunikation und Post der heimischen Regulierungsbehörde RTR, für ein Jahr zum Vorsitzenden des Regulierungsrats. 2011 wird Serentschy bereits als Vizevorsitzender des Gremiums dienen, das die Arbeit der europäischen Telekomregulierer koordiniert und ein gewichtiges Wort dabei mitzureden hat, wie Internet- und Telekomsysteme in der EU gestaltet werden.
So ist das internationale Roaming ein wichtiger Punkt im Arbeitsprogramm des GEREK, das vergangene Woche in Brügge beschlossen wurde. Zwar haben sich die nationalen Regulierungsbehörden gegenüber der EU-Kommission dagegen ausgesprochen, die Kosten für das Datenroaming bei Endkunden nach Vorbild der Sprachtelefonie per Verordnung zu deckeln, die zuständige Kommissarin Neelie Kroes drängt aber darauf, dass die zum Teil horrenden Roamingtarife in der ganzen Union bis 2015 abgeschafft werden.
Serentschy hält das für einen „sportlichen Zeitplan“, der den Mobilfunkern einiges abverlange, schließlich seien sie dann einem europaweiten Wettbewerb ausgesetzt. Dass dem wiederum einige Unternehmen zum Opfer fallen werden, hält Serentschy für „unausweichlich“.
Entgelte: Österreich als Vorbild
Der RTR-Chef will sich auch dafür einsetzen, dass die Terminierungsentgelte EU-weit dem bereits recht tiefen Niveau in Österreich angepasst werden. Da dieses Entgelt, das der Provider im Zielland eines Anrufs verrechnet, im Ausland in der Regel höher ist als in Österreich, gingen den heimischen Mobilfunkern hohe Summen verloren - „ein Millionenthema“, so Serentschy.
Dass Deutschland kürzlich das Terminierungsentgelt pro Anruf von sechs auf drei Cent gesenkt habe, sei ein gutes Signal. In Österreich liegt der Tarif bei zwei Cent. Eine Abschaffung der Terminierungsentgelte sei zwar wegen der hohen Verwaltungskosten wünschenswert, aber aufgrund der geltenden Rechtslage in der EU mittelfristig nur schwer durchzusetzen, so der Regulator.
Was dürfen die Provider
Die Debatte über die Netzneutralität, also das ungeschriebene Gesetz, dass im Internet alle Daten ohne Ansehen der Herkunft gleich behandelt werden, werde nun „mit voller Vehemenz“ ausgetragen. Dabei geht es unter anderem darum, ob ein Mobilfunker den Einsatz von VoIP-Systemen wie Skype in seinem Netz behindern darf oder nicht. Im Rahmen der jüngsten Neuordnung des Telekommarkts hat die EU hier den Mitgliedsländern große Freiheiten gegeben, die Kommission setzt hier auf die Kräfte des Markts und hofft darauf, dass sich der Anbieter mit den geringsten Restriktionen von selbst durchsetzen wird.
Darin, dass Netzvideos mittlerweile 25 Prozent des globalen Datenverkehrs ausmachen und die Infrastrukturbetreiber dafür von YouTube & Co. keine Aufschläge kassieren dürften, erkennt Serentschy eine „Schräglage“. Er sieht aber auch, dass die Hürden für den Markteintritt von Start-ups höher liegen würden, wenn die Netzneutralität fiele. „Für Start-ups könnten die Provider eventuell günstigere Tarife anbieten“, so Serentschy, der einräumt, kein Patentrezept für dieses Dilemma parat zu haben.
Serentschy fordert „volle Transparenz“
Wie die Netzneutralität in Österreich aussehen soll, muss nun die Regierung im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes festlegen, das bis Mai 2011 fertiggestellt sein wird. „Aus meiner Sicht besteht das Minimalprogramm in Sachen Netzneutralität darin, dass die Provider den Endkunden gegenüber volle Transparenz bieten müssen“, sagt Serentschy.
„Die Kunden müssen genau wissen, was geht und was nicht.“ In diesen Kontext gehört auch, dass den Kunden Softwarewerkzeuge zur Verfügung gestellt werden sollen, mit denen sie genau prüfen können, ob der Provider seine versprochenen Leistungen auch wirklich erfüllt.
Auch das heikle Thema Netzwerksicherheit soll der Gesetzgeber angehen. Serentschy sieht hier „ein hohes Gefahrenpotenzial, beispielsweise bei den intelligenten Stromnetzen, den Smart Grids. In den USA geht in diesem Bereich nichts ohne das Heimatschutzministerium, was schon zeigt, für wie wichtig das Thema dort gehalten wird.“ In Österreich gebe es keine zentrale Netzsicherheitsagentur. „Da stellt sich die Frage: Wer macht was?“
Warten auf schnelleren Datenfunk
Was die Einführung der nächsten Mobilfunkgeneration LTE auf breiter Basis angehe, so werde sich die RTR in der ersten Jahreshälfte 2011 mit den Details der für kommenden Herbst geplanten Auktion der alten analogen TV-Frequenzen aus der „Digitalen Dividende“ befassen. Beispielsweise sei noch nicht klar, inwieweit auch die neue Nutzung der GSM-Mobilfunkfrequenzen in das Verfahren einbezogen werden soll.
Im Gespräch mit ORF.at weist Serentschy darauf hin, dass die Einführung von LTE auch stark mit der Abschaltung des analogen Fernsehens in den Nachbarländern zu tun habe. Solange beispielsweise in Ungarn noch das analoge Fernsehen auf den hierzulande für LTE freigeräumten Frequenzen sendet, kann es zu Störungen im Datenfunk kommen. Er habe von den Regulatoren der Nachbarländer Signale erhalten, dass man dort wohl Mitte 2012 vom analogen terrestrischen Fernsehen Abschied nehmen werde, so Serentschy.
Günter Hack, ORF.at
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