Themenüberblick

„Auch Air France hat Fehler gemacht“

Zehn Jahre nach dem Absturz einer Concorde in der Nähe von Paris mit 113 Toten hat ein Gericht in Frankreich der US-Fluggesellschaft Continental die Schuld an der Katastrophe gegeben. Das Urteil fällte ein Strafgericht in Pontoise bei Paris am Montag. Continental hatte versucht nachzuweisen, dass die Concorde schon vorher gebrannt hatte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Damit wurde von den Richtern das Untersuchungsergebnis der Flugunfallermittler bestätigt. Demnach kam es zur Katastrophe, weil der Überschalljet beim Start über eine Titanlamelle rollte, die von einer Continental-Maschine abgefallen war. Dabei platzte ein Reifen der Concorde, Gummiteile durchschlugen einen Tank des Flugzeugs, und der ausströmende Treibstoff fing Feuer. 113 Menschen starben, als die Maschine kurz nach dem Abheben brennend in ein Hotel stürzte. Die meisten Opfer waren Deutsche, die von New York aus zu einer Kreuzfahrt starten wollten.

Das Gericht kritisierte Continental in dem Urteil vor allem für mangelhafte Wartungsarbeiten, denn es hätte kein Teil von einer der Maschinen abfallen dürfen. Das Continental-Flugzeug war kurz vor der Concorde gestartet. Die Verteidigung von Continental hatte erklärt, dass die Concorde bereits gebrannt habe, bevor sie das fahrlässig an der Continental-Maschine befestigte Metallstück überrollte. Im Gegensatz dazu wies die Concorde-Betreiberin Air France Continental die volle Schuld an dem Unglück zu.

Eine Million Euro Schadenersatz

Die Richter verurteilten Continental nun zu einer Geldstrafe in Höhe von 200.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von 175.000 Euro gefordert. Continental muss zudem eine Million Euro Schadenersatz an Air France zahlen. Der französischen Airline gehörte die abgestürzte Maschine.

Ein Continental-Mitarbeiter wurde zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ein weiterer Angestellter von Continental wurde entlastet. Zudem teilte das Gericht mit, der Flugzeughersteller EADS trage eine zivilrechtliche Verantwortung in Zusammenhang mit dem Concorde-Absturz. EADS müsse 30 Prozent möglicher Entschädigungen für die Opfer der Familien übernehmen.

Mann hält Teil der abgestürzten Concorde der Air France in die Höhe

APA/EPA/MAXPPP/Olivier Lejeune

Concorde-Teile wurden vor Gericht als Beweisstücke präsentiert.

Chef des Concorde-Programms freigesprochen

Freigesprochen wurden drei französische Beschuldigte der Gegenseite, denen unter anderem Nachlässigkeit im Umgang mit bekannten Problemen am Treibstofftank der Concorde vorgeworfen worden war. Mit einem Freispruch endete auch die Anklage gegen den damaligen Chef des Concorde-Programms, Henri Perrier. Für ihn hatte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre Haft auf Bewährung gefordert. Ihm soll die Anfälligkeit des Flugzeugs bekannt gewesen sein.

Continental-Sprecher Nick Britton betonte in einer ersten Reaktion, dass man mit der Entscheidung des Gerichts „überhaupt nicht einverstanden“ sei und gegen „dieses absurde Urteil“ in Berufung gehen werde. Auch der Anwalt des verurteilten Mechanikers will in Berufung gehen. Laut Continental-Anwalt Olivier Metzner schützt die Entscheidung nur die Interessen der französischen Wirtschaft. „Auch Air France hat Fehler begangen.“ Es seien Beweise verschwunden. Das werde in den nächsten Wochen bekanntwerden.

Dass der Metallteil die Ursache des Unglücks gewesen sein soll und Continental und seine Mitarbeiter die einzigen Schuldigen, zeigt laut Britton die Entschlossenheit der französischen Behörden, die Aufmerksamkeit und Schuld von Air France sowie den Aufsichtsbehörden abzulenken. Continental gehört wegen einer Fusion mittlerweile zu United Continental Holdings.

Prozess im Mai beendet

Der Prozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen des Unglücks endete bereits im Mai dieses Jahres. Als Nebenkläger traten in dem Prozess Angehörige französischer Opfer auf, die bisher keine Abfindung erhielten. Etwa 700 Angehörige der Opfer einigten sich bereits kurz nach der Katastrophe mit Air France und deren Versicherung auf Entschädigungen. Schätzungen zufolge sollen 173 Millionen Euro geflossen sein.

„20 Jahre Gefahr für Öffentlichkeit“

Obwohl der Absturz laut dem 2004 verfassten Abschlussbericht auf eine „von außen kommende Ursache“ zurückzuführen ist, verdichteten sich im Laufe der Ermittlungen Hinweise auf gravierende Konstruktionsfehler bei der Concorde selbst. So habe es einen „wichtigen Mangel“ gegeben, der in der Schwäche der Verkleidung der Treibstoffreservoirs in den Flügeln bestanden habe, heißt es im Abschlussbericht. Die Schwachstelle soll im Grunde seit 1979 bekannt gewesen sei.

Luftaufnahme der Absturzstelle der Air-France-Concorde

AP/Joachim Bertrand/Ministry of Interior/Civil Security

Die Concorde-Absturzstelle in Gonesse

Ein Jahr darauf übten Experten scharfe Kritik an den zuständigen Behörden. Diesen wurde in einem weiteren Bericht vorgeworfen, die Sicherheit des Überschallflugzeugs nicht ausreichend überprüft zu haben. Laut dem Anwalt der Familie des Concorde-Flugkapitäns Christian Marty, Roland Rappaport, geht aus dem Bericht hervor, dass die Concorde zwanzig Jahre lang „eine Gefahr für die Öffentlichkeit gewesen“ sei: „Das Unglück musste eines Tages geschehen.“

Links: