„Zunehmend bescheidene Leistung“
„Frustriert“, „extrem enttäuscht“ und „besorgt“ äußern sich US-Diplomaten über ihre österreichischen Ansprechpartner. Das zeigen 1.700 geheime Depeschen der US-Botschaft in Wien, die dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vorliegen.
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Insgesamt bescheinigen die US-Diplomaten ihrem Gastland eine „Kluft zwischen dem Bild, das sich Österreich selbst von seiner Rolle in der Welt macht, und seiner tatsächlichen, zunehmend bescheidenen Leistung“. Über Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) schreiben sie: „Es ist klargeworden, dass Faymann kein persönliches Interesse an Außenpolitik hat.“
Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) sei „weitgehend darauf konzentriert, das Vordringen der österreichischen Wirtschaft“ zu befördern. Und Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sei nicht nur „uninteressiert an Außen- und internationaler Sicherheitspolitik“, sondern dazu noch „offen ablehnend gegenüber Plänen, österreichische Truppen auf gefährliche Einsätze ins Ausland zu schicken“.
Kritik an Wirtschaftsriesen OMV und Raiffeisenbank
Die US-Depeschen offenbaren gleich mehrere Konfliktfelder, etwa die Weigerung Österreichs zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen und die Geschäftsbeziehungen österreichischer Unternehmen zum Iran und Nordkorea. Immer wieder kritisiert werden der Energiekonzern OMV, Waffenhersteller Steyr-Mannlicher und die Raiffeisenbank.
Laut dem „Spiegel“ mussten sich zwei Raiffeisen-Manager im Jahr 2006 wegen der Treuhänderschaft für ein korruptionsumwittertes Gasgeschäft des russisch-ukrainischen Joint Ventures RosUkrEnergo vor US-Diplomaten verantworten. Die Manager hätten angegeben, dass die damaligen Präsidenten Wladimir Putin und Viktor Juschtschenko Kenntnis von allen Einzelheiten des Deals hatten. Der US-Botschafter kritisierte die Rolle der Österreicher in dem Geschäft. „Es fällt schwer, nicht zu vermuten, dass die Treuhänderschaft nicht einfach ein Feigenblatt ist für ein unappetitliches Arrangement.“
Faymann: „Einzelmeinungen von Diplomaten“
Faymann und Darabos wiesen die Kritik entschieden zurück. Es dürfte sich um „Einzelmeinungen von Diplomaten handeln“, sagte ein Sprecher des Bundeskanzlers. „Wesentlich für die Beziehungen ist der Kontakt auf Augenhöhe“, also zwischen den österreichischen Regierungsmitgliedern und ihren jeweiligen US-Pendants, und dieser sei „teilweise sehr intensiv“. Zur Kritik von US-Diplomaten an bestimmten außenpolitischen Positionen Österreichs - vom „Spiegel“ wird die Ablehnung, Guantanamo-Häftlinge aufzunehmen, genannt - betonte der Kanzlersprecher: „Ein neutraler Staat wie Österreich trifft seine Entscheidungen souverän und richtet sich nicht nach den Interessen der einen oder anderen Seite.“
Darabos fordert Klarstellung
„Wir erwarten uns eine Klarstellung des (US-amerikanischen, Anm.) Botschafters“, sagte Darabos-Sprecher Stefan Hirsch am Sonntag der APA. Der Minister sei nämlich „sehr überrascht und verwundert“ über die Kritik, die „nicht Ausdruck eines hohen politischen Verständnisses ist“. Anders als behauptet seien nämlich internationale Militäreinsätze für Darabos „sehr wichtig“.
Möglicherweise bestehe ein Zusammenhang mit der Kritik des Verteidigungsministers an den früheren US-Raketenschildplänen und seiner „offenen Ablehnung gegen einen Afghanistan-Einsatz der österreichischen Truppen“, sagte Hirsch. Man könne sich vorstellen, dass die Amerikaner „frustriert und enttäuscht sind, weil er offen Kritik am Raketenschild übt und den Afghanistan-Einsatz ablehnt“.
Zusammenhang mit WikiLeaks?
Die Veröffentlichungen dürften in Zusammenhang mit der Internetplattform WikiLeaks stehen, mit der das Nachrichtenmagazin kooperiert. Rund 2.000 Akten der veröffentlichten Akten von WikiLeaks betreffen Österreich.
Noch einen Tag zuvor hatte die einstige US-Botschafterin in Wien, Helene von Damm, gegenüber der Tageszeitung „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe) gesagt, sie rechne nicht damit, dass in den WikiLeaks-Akten mit Österreich-Bezug viel Aufsehenerregendes ans Tageslicht kommen werde. „Österreich ist kein so brisantes Land, wo jemand dauernd auf der Lauer liegt.“ Sie könne sich jedoch vorstellen, dass „in manchen Depeschen stehen wird, dass sich dieses Land nicht gerne festlegt“. „Es hat schon Zeiten gegeben, in denen die Amerikaner diese neutrale Haltung genervt hat. Wo es die Meinung gab: Die sind doch im Westen, warum halten sie sich aus allem heraus?“, so die Ex-Botschafterin.
Pilz: Österreich soll Assange Asyl gewähren
Der Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz forderte unterdessen, dass Österreich WikiLeaks-Chef Julian Assange politisches Asyl gewährt. „Es geht nicht an, dass Assange für etwas, was jeder Journalist der Welt tun würde, von den USA und ihren Verbündeten durch ganz Europa gehetzt wird. Er braucht Schutz, weil ein faires Verfahren gegen ihn wegen angeblicher Vergewaltigung derzeit nicht möglich ist“, teilte Pilz am Sonntag in einer Aussendung mit. Die Depeschen zu Österreich bezeichnete er als „Blamage“.
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