„Ökosystem der Korruption“ aufdecken
WikiLeaks-Gründer Julian Assange versteht es, die Angst vor den Enthüllungen seiner Plattform zu nutzen. Kurz nachdem er mit Veröffentlichungen über vertrauliche Gespräche und Einschätzungen von US-Diplomaten die amerikanische Außenpolitik und US-Präsident Barack Obama in die Bredouille brachte, kündigte der Australier den nächsten Coup an. Die Börse reagierte bereits darauf.
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Denn schon Anfang nächsten Jahres solle eine amerikanische Großbank zum Ziel werden, sagte Assange gegenüber dem US-Magazin „Forbes“. Bei diesem „Megaleck“ werde Material präsentiert, mit „wahren und repräsentativen Einsichten, wie sich Banken auf der Managementebene verhalten. Man kann es das Ökosystem der Korruption nennen.“
Allein die Ankündigung von WikiLeaks reichte für erste Reaktionen möglicher Betroffener. Assange nannte bei der ins Visier genommenen „US-Großbank“ zwar keine Namen, dennoch sah sich die Bank of America bemüßigt, zu reagieren. Denn die Onlineplattform Huffington Post stellte die Vermutung an, dass es sich bei dem von Assange erwähnten Finanzinstitut um die Bank of America handeln müsse.
Bank of America dementiert
Der WikiLeaks-Gründer hatte schon 2009 in einem Interview davon gesprochen, im Besitz einer Festplatte von einer Führungskraft der Bank zu sein. „Abgesehen von den Behauptungen haben wir keinen Beweis, der diese Aussagen unterstützt“, wies der Sprecher der Bank of America, Scott Silvestri, gegenüber CNN zurück.
Es ist tatsächlich unklar, ob es zwischen diesen beiden Aussagen einen Zusammenhang gibt. Assange hatte von „ein oder zwei Banken“ gesprochen, die „in die Tiefe“ gerissen werden könnten.
„Unethische Praktiken“
Assange hatte gegenüber Andrew Greenberg von „Forbes“ angekündigt, mit den Dokumenten „ungeheuerliche Übertretungen“ und „unethische Praktiken“ zu enthüllen. Es sei aber noch unklar, ob es sich dabei um kriminelle Vorgänge handle. Allerdings erwarte er sich nach der Veröffentlichung Ermittlungen und Reformen im Bankensektor.
Der Australier hatte die bevorstehende Veröffentlichung mit den E-Mails verglichen, die im Zusammenhang mit dem Enron-Skandal ans Licht gekommen waren. Der früher zehntgrößte US-Konzern hatte 2001 nach einem Bilanzbetrug einen Insolvenzantrag gestellt.
Verluste an der Börse
Greenberg meinte nach dem Interview in seinem Blog, dass der WikiLeaks-Gründer ihm gegenüber von „unpubliziertem, möglicherweise schädlichen Dokumenten über zahlreiche Finanzfirmen auch über das angesprochene Bankenmegaleck hinaus“ gesprochen habe, berichtete CNN. Er geht aber davon aus, dass es unwahrscheinlich sei, dass es noch Material von der Bank of America gebe, das noch nicht untersucht worden sei.
Trotz Dementis und fehlenden Namen reagierte die Börse bereits auf den angekündigten Coup. Die Aktien der Bank of America und von Goldman Sachs gerieten stark unter Druck und rutschten mit mehr als drei Prozent ins Minus. Papiere von Goldman Sachs verloren am Mittwoch bis Börsenschluss 1,75 Prozent. Assange hatte in einem Interview auch Goldman Sachs erwähnt.
Kaum rechtliche Probleme
Juristisch hat WikiLeaks bei der Veröffentlichung von Betriebsgeheimnissen wenig zu fürchten, ist der Jurist Thomas Hoeren von der Universität Münster überzeugt. Privatfirmen könnten nur auf Zivilrecht setzen: „Das birgt zwar großes Drohpotenzial, dahinter steht aber wenig Macht.“
„Das Internet hat ein völlig zersplittertes Presserecht. Mindestens 135 unterschiedliche Rechtsordnungen prallen dort aufeinander“, erklärte Hoeren gegenüber der dpa. Diese Rechte spiele WikiLeaks geschickt aus. In der Praxis gelte das Recht des Firmenstandortes. Für WikiLeaks sei das derzeit Reykjavik in Island mit einem der liberalsten Presserechte der Welt: „Das ist wie für WikiLeaks zugeschnitten.“
Amazon sperrt Server
Schwierigkeiten bekam WikiLeaks nun von anderer Seite. Das US-amerikanische Internetunternehmen Amazon verbannte die Dokumente von seinen Servern. Die Internetaktivisten hatten bei der Veröffentlichung der geheimen diplomatischen US-Depeschen auf den Amazon Web Service (AWS) zurückgegriffen, um die hohen Zugriffszahlen auf die Dokumente bewältigen zu können.
„Amazon Server abgedreht“, schrieben die Internetaktivisten im Kurznachrichtendienst Twitter und warfen dem US-Dienstleister einen Verstoß gegen die Redefreiheit vor. „Okay, wir geben jetzt unsere Dollar in Europa aus.“
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