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„Wir wollen nicht geopfert werden“

Beim UNO-Klimagipfel in Mexiko steht einmal mehr der Kampf gegen den Klimawandel auf dem Programm. Doch für niemanden sind rasche Maßnahmen wichtiger als für die kleinen Inselstaaten in der Karibik, im Pazifik und vor Afrika. In einem dramatischen Appell riefen sie die anderen Ländern dazu auf, sie nicht einfach „der Geschichte auszuliefern“.

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„Wir werden die ersten Menschen im 21. Jahrhundert sein, die vom Aussterben bedroht sind“, sagte Antonio Lima, Vizepräsident der Association of Small Island States (AOSIS). „Wir wollen nicht die Vergessenen des 21. Jahrhunderts sein. Wir wollen nicht geopfert werden. Wir wollen überleben, und zum Überleben brauchen wir Solidarität von jenen, die Einfluss auf das Klima haben“, richtete Lima sich direkt an die rund 15.000 Gipfelteilnehmer.

Menschen formen "The End?" am Strand

AP/Spectral Q, Lou Dematteis

Aktivisten warnen vor den Auswirkungen steigender Meeresspiegel.

Hunderttausenden droht Umsiedelung

Und er hat dramatische Zahlen im Gepäck. Wie Klimastudien belegen, könnte bei weiterer Klimaerwärmung der Meeresspiegel vor allem in der Karibik bis 2020 um bis zu zwei Meter steigen, mit fatalen Auswirkungen für Menschen und Infrastruktur. Laut einer aktuellen Studie der Universität Oxford müssten dann 260.000 Menschen umgesiedelt werden. Rund eine Million Menschen wäre der Gefahr von Überschwemmungen ausgesetzt, und Milliarden Dollar gingen im Tourismus verloren.

Allein den 15 Mitgliedern der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM), zu der unter anderem die Bahamas, Belize, Grenada, Haiti und Jamaika gehören, droht ein jährlicher Schaden von vier bis sechs Milliarden Dollar (drei bis 4,5 Mrd. Euro). Die Kosten für zerstörte Infrastruktur könnten sogar zweistellige Milliardenbeträge erreichen, wie die britische Zeitung „The Guardian“ berichtet.

Aus für Hunderte Luxusresorts

Verstärkt wird das noch durch die Berechnungen, dass bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter der Boden bis zu 100 Meter landeinwärts durch Erosion zerstört würde. „Der Anstieg um einen Meter plus angenommene Erosion würde dazu führen, dass rund 307 Luxusresorts beschädigt oder zerstört werden“, zitiert der „Independent“ aus dem Oxford-Bericht. Hinzu kommen 31 CARICOM-Flughäfen, 44 Häfen, neun Stromkraftwerke und über 700 Kilometer Straße, die für immer vom Meer verschluckt würden. Die Kosten für nötige Neubauten und Reparaturen würde bis zum Jahr 2080 auf bis zu 127 Milliarden Dollar (96 Mrd. Euro) steigen.

Globaler Geldtopf für die Klimafolgen

In Anbetracht der enormen Kosten, die auf die Inselstaaten in den nächsten Jahren zukommen könnten, riefen die 43 AOSIS-Diplomaten am Mittwoch zu einer „globalen Versicherung“ auf, die es den betroffenen Ländern ermöglichen soll, die Effekte des Klimawandels auch zu bezahlen. Ein Großteil des Geldes müssten dabei die reichen „Klimasünder“ einzahlen.

„Wie bei einem normalen Versicherungsfonds würde das Geld privat angelegt werden, so dass in Krisenzeiten dann darauf zurückgegriffen werden kann“, erklärte Lima das Konzept gegenüber dem britischen „Telegraph“. Das Geld soll unter anderem dazu verwendet werden, bei Überschwemmungen neues Land zu kaufen. Dieser Versicherungstopf würde zudem nicht nur die gefährdeten Länder schützen, sondern sie auch motivieren, Präventivmaßnahmen zu ergreifen, wurde beim Gipfel betont.

Zahlungen bald „Part of the Deal“?

Doch wie genau und vor allem von wem dieser Geldtopf gefüllt werden soll, ist noch unklar. Beratungen zu diesem Thema, die vor einigen Monaten an der Universität Oxford stattfanden, kamen zu keinem Ergebnis. Zwar sind sich alle einig, dass vor allem die reichen Ländern ihrer Verantwortung nachkommen sollen. Doch genaue Berechnungen fehlen noch. Die UNO will sich der Thematik nun annehmen, und wenn der vorgeschlagene Fonds durchführbar ist, diese Zahlungen in einen neuen Klimapakt aufnehmen.

Lula: Gipfel wird nichts bringen

Scharfe Kritik äußerte indes der scheidende brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva. Das Treffen sei nicht hochrangig besetzt und werde daher „zu nichts führen“, sagte Lula am Mittwoch in Brasilia.

„Kein großer Staatschef geht dort hin, bestenfalls Umweltminister“, sagte Lula mit Blick auf die Teilnehmer der seit Montag tagenden Klimakonferenz. „Wir wissen nicht einmal, ob Außenminister hingehen. Also wird es keine Fortschritte geben.“ Lula selbst hatte vergangene Woche entschieden, nicht nach Cancun zu reisen. Seine Regierung verkündete Fortschritte beim Kampf gegen die Zerstörung des Regenwaldes im Amazonasgebiet.

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