Süßigkeit als Gesundheitsbombe?
Süßwarenhersteller stehen vor einer neuen Herausforderung: Ihre Klientel wird immer älter, und die Ansicht, dass man vor allem eine junge Zielgruppe zu bedienen hat, ist endgültig dahin. Besonders deutlich ist das im Boomsegment Kaugummi zu sehen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die europäischen Süßwarenhersteller, die sich mittlerweile im Sweets Global Network zusammengeschlossen haben, schauen ähnlich wie ein Sozialminister auf die Demografie: Die Gesellschaft schrumpft nicht nur, sie wird älter. 2050 wird in Mitteleuropa die Hälfte der Bevölkerung über 50 sein. Das bedeutet auch: Die Zielgruppe der Jungen wird kleiner. Und so gilt es Produkte für eine Gruppe zu finden, für die man früher in der Werbung - geschlechtsneutral formuliert - den Spruch „Aber sie naschen doch nicht so gerne“ formuliert hätte.
Nicht nur ein Phänomen in Europa
Auf dem Kongress der Süßwarenbranche in Berlin wurden jetzt die Ergebnisse des Überalterungstrends breit thematisiert. Die Demografen erinnerten die Branche auch an den Umstand, dass man die Überalterung in Europa nicht mit neuen Hoffnungsmärkten kontern könne: Denn, so der Demograf Reiner Klingholz, den die „Welt“ am Montag zitierte: Auch Riesen wie China stehe noch die Explosion der alternden Gesellschaft als Resultat der Einkindpolitik ins Haus.
Das langsame Altern der Kaugummikonsumenten
Am Beispiel der Kaugumminachfrage lässt sich die Herausforderung der alternden Gesellschaft besonders plastisch darstellen. Das Segment Kaugummi gilt immer noch als stark wachsend - zu sehen etwa am Kauf von Cadbury durch Kraft Foods, wo die Marke Trident im Bouquet von Cadbury ein besonderes Lockmittel für den US-Lebensmittelkonzern war.

Wrigley.de
Nicht nur Produkte ändern sich - auch die Werbebotschaften.
Die Zielgruppe beim Kaugummi ist im Moment zwischen zehn und 55 Jahre alt, wie etwa die Sales-Vertretung von Wrigley’s in Berlin deutlich machte. Setzte man zuerst auf Kaugummis für Kinder, mit denen man große Blasen machen konnte, so lautete die Herausforderung der 80er Jahre (offenbar bis heute anhaltend): Kaugummis für die Generation Wohlstandsbauch, die nicht auch noch Zucker aufnehmen will.
Kann man sich gesundkauen?
Ende der 90er Jahre eroberten wieder die Atembomben den Kaugummimarkt. Mentol gekoppelt mit exotischen Geschmacksrichtungen war angesagt, bevor sich in den 2000er Jahren der Funktionskaugummi durchsetzte. Zusätzliches Zähneputzen war möglich geworden durch häufiges Kaugummikauen - auch das wieder in exotischen Geschmacksrichtungen.
Schließlich hat der Wohlfühl- und Wellnesstrend die Geschmäcker in Richtung Lemongras, Aloe vera und all jene anderen Pflanzen- und Fruchtgefilde gewuchtet, die man sonst in Haarshampoo und Duschbad findet. Die älter werdende Generation will man mit Wellnesskaugummis und Produkten mit medizinischer Expertise ködern. Dann soll der Kaugummi gegen Sodbrennen, Ohrendruck, Mundtrockenheit und hastiges Essen helfen. Bleibt wahrscheinlich der Packungshinweis, dass das entsprechende Produkt langsam und mit Genuss zu kauen sei.
Links: