Diplomatie diskreditiert
Mit den neuen Enthüllungen der Plattform WikiLeaks ist die Diplomatie der USA diskreditiert. Der „Spiegel“ sprach bereits von einem „GAU für die amerikanische Außenpolitik“. Auch die „New York Times“ erwartet, dass das Verhältnis zu anderen Staaten beschädigt werde. Internationale Angelegenheiten könnten „in einer Weise beeinflusst werden, die man unmöglich vorhersagen kann“.
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An vorderster Front schickt US-Präsident Barack Obama seine Außenministerin Hillary Clinton zur Schadensbegrenzung. Sie kündigte „aggressive Schritte“ an, um jene zur Rechenschaft zu ziehen, die diese Informationen gestohlen hätten. Und auch intern dürfte sich einiges ändern: So wurde die Verbindung zwischen der Datenbank des Außenministeriums und dem internen Netzwerk SIPRNet des US-Verteidigungsministeriums und der Streitkräfte vorübergehend abgeklemmt, erklärte ein Außenamtssprecher am Dienstag in Washington.
Obama hingegen hüllt sich in Schweigen. Dabei kommt das Datenleck, das Depeschen der US-Diplomatie an die Öffentlichkeit brachte, für Obama zur Unzeit. Denn neben innenpolitischen Kontroversen und einer lahmenden Wirtschaft muss er sich nun auch in der Außenpolitik auf neue Fronten einstellen.
„Gefährlich“, „rücksichtslos“
Schon vor der Veröffentlichung warnte die US-Regierung vor Gefahren und Sicherheitsproblemen durch die Offenlegung von Informanten sowie privaten Unterredungen und persönlichen Einschätzungen von Diplomaten. Als „rücksichtslos“ und „gefährlich“ stufte auch Obamas Sprecher Robert Gibbs die Enthüllung ein. Die Publikationen wurden als Angriff auf die USA verstanden.
„Paranoider“ Karzai
Zwar wurde wenig Neues veröffentlicht - die Probleme der USA mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai etwa sind schon länger bekannt, ebenso die Differenzen mit China und die Probleme mit dem Iran und dessen vom Westen vermuteten Atommachtbestrebungen. Dass nun aber Karzai öffentlich als „paranoid“ und „schwache Persönlichkeit“ bezeichnet wird, die große Angst in den USA und in der arabischen Welt vor dem Iran noch deutlicher zutage tritt und Peking „Anmaßung“ unterstellt wird, bringt die USA und den ohnehin innenpolitisch geschwächten US-Präsidenten in die Bredouille.
Barriere Republikaner
Einfach war die Situation schon vor der Veröffentlichung der über 250.000 vertraulichen Depeschen nicht. Nordkorea etwa zeigte sich von den Seemanövern der USA und Südkoreas wenig beeindruckt und brachte Raketen in Startposition. Mit China offenbaren sich die Differenzen vor allem im Währungsstreit. Auch die Fortschritte in Afghanistan lassen zu wünschen übrig, wie ein kürzlich veröffentlichter Pentagon-Bericht zeigt. Die Neuauflage des Abrüstungsvertrags mit Russland könnte an den Republikanern im Kongress scheitern.
Am Dienstag, zwei Tage nach den ersten WikiLeaks-Veröffentlichungen, stellte sich Obama den wiedererstarkten Republikanern, um in den Kernbereichen von umstrittenen Steuererleichterungen bis zum Abrüstungsvertrag mit Moskau zu einer Einigung zu kommen. Immerhin zeichnete sich Bewegung im Tauziehen um den START-Vertrag ab. Russlands Regierungschef Wladimir Putin drohte den USA schon, sollte es zu keiner Ratifizierung des Vertrags kommen. Zu WikiLeaks möchte Obama persönlich offenbar nicht Stellung nehmen.
Er setzte allerdings einen Beauftragten zur Verhinderung weiterer Datenlecks ein. Der Vizedirektor für Informationsweitergabe im nationalen Anti-Terror-Zentrum, Russell Travers, werde die Aufgabe übernehmen, teilte das Weiße Haus in Washington am Mittwoch mit. Er werde die umfassenden Bemühungen leiten, „Strukturreformen vorzubereiten und umzusetzen, deren Notwendigkeit durch die undichten Stellen bei WikiLeaks ans Licht kam“.
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