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Der „Giftschrank“ der TV-Sender

Rundes Jubiläum für einen Krimiklassiker: Mit der 781. Folge feiert der „Tatort“ sein 40-Jahre-Jubiläum. In der langen Geschichte der Serie gab es so manchen Aufreger - etwa als Nastassja Kinski 1977 als Schülerin ihren Lehrer verführte - und dabei nackt zu sehen war. Für ähnlichen Wirbel sorgte Götz George als Kommissar Horst Schimanski, der bis zu 18-mal pro Folge „Scheiße“ sagte.

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Diese „Skandale“ und die Themen, die die ganze Bandbreite der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen abdeckten, sorgten dafür, dass die Serie stets Gesprächsthema blieb. In manchen Fällen war die Aufregung aber so groß, dass die Folgen seit ihrer Erstausstrahlung nicht mehr wiederholt wurden. Senderintern werden diese Episoden „Giftschrankfolgen“ genannt. Sie sind für die zukünftige Verwendung gesperrt.

Der letzte Fall, der es auf die Liste der verbotenen Folgen schaffte, schlug in Deutschland hohe Wellen. In „Wem Ehre gebührt“ (2007) mit Maria Furtwängler als Kommissarin ging es um einen Inzestfall in einer alevitischen Familie. Eine junge Frau wird umgebracht, weil sie zur Aufklärung des Falls beitragen will. Die Aleviten warfen den „Tatort“-Machern vor, mit dem Film uralte Vorurteile wiederaufleben zu lassen und zu bestätigen.

Proteste in Köln gegen die "Tatort"-Folge "Wem Ehre gebührt"

APA/DPA/Achim Scheidemann

Bis zu 30.000 Menschen demonstrierten in Köln gegen eine „Tatort“-Folge.

Die Welle der Entrüstung war so stark, dass es schließlich sogar zu Massendemonstrationen kam und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier alle Beteiligten zur Mäßigung aufrufen musste. Der NDR betonte von Anfang an, dass die „Tatort“-Folge missverstanden worden wäre, und es nicht darum gegangen sei, religiöse Gefühle zu verletzen.

Antisemitische Darstellungen

Jede Menge Kritik hagelte es auch 1996, als in der Folge „Tod im Jaguar“ ein einflussreicher jüdischer Geschäftsmann in die Luft gesprengt wurde. Die wenig differenzierte Darstellung „jüdischer Geschäftemacher“ und „antijüdische Passagen“ in der missverständlichen Pressemitteilung des SFB sorgten zusätzlich für großen Unmut. Im selben Jahr erregte sich die Politik über „Krokodilwächter“ - „brutal, sexistisch und menschenverachtend“ sei die Geschichte über Menschenhandel und Prostitution.

Die verbotenen Fälle:

  • „Der Fall Geisterbahn“ (HR, 12.2.1972)
  • „Der gelbe Unterrock“ (SWF, 10.02.1980)
  • „Mit nackten Füßen“ (HR, 09.03.1980)
  • „Tod im Jaguar“ (SFB, 09.06.1996)
  • „Krokodilwächter“ (SFB, 10.11.1996)
  • „Wem Ehre gebührt“ (NDR, 23.12.2007)

Aus einem ganz anderen Grund wird „Der gelbe Unterrock“ aus dem Jahr 1980 nicht mehr ausgestrahlt. Die verantwortliche Redakteurin fand ihn selbst so peinlich, dass sie verfügte, er solle nicht wiederholt werden. Nicole Heesters stößt darin als Kommissarin auf einen psychisch gestörten Mann, dessen Fantasien, wie er Frauen demütigen könnte, etwas zu ausführlich geschildert werden.

Gewaltbereite Epileptiker

In „Mit nackten Füßen“ (1980) mit Kommissar Sander (Volker Kraeft) wird der Eindruck erweckt, Epileptiker neigten überdurchschnittlich oft zur Gewaltbereitschaft. Außerdem wird behauptet, Epilepsie sei eine Geisteskrankheit, was damals bereits widerlegt war. Nicht nur Betroffene protestierten, und der Fall wurde nie wieder gezeigt.

Götz George als "Tatort"-Kommissar Schimanski

APA/DPA/Martin Athenstädt

Wegen ihrer Brutalität wurden auch zwei „Schimanski“-Folgen einige Zeit gesperrt.

Manche Folgen konnten sich nach einigen Jahren im „Giftschrank“ wieder rehabilitieren. So etwa „Tote brauchen keine Wohnung“, in der Walter Sedlmayr einen Immobilienhai spielte - zu linkslastig, befand der BR und ließ den Krimi mit Gustl Bayrhammer und Helmut Fischer verschwinden. Erst nach einem Intendantenwechsel 1992 wurde er wieder gezeigt und seitdem häufig wiederholt.

Auch „Schimanski“-Folge nicht verschont

Auch eine „Schimanski“-Folge blieb nicht verschont. In „Blutspur“ (1989) werden Angehörige von Minderheiten massenweise abgestochen, ermordet oder in die Luft gesprengt, die Folge ist an Brutalität kaum zu überbieten und wurde zehn Jahre lang nicht ausgestrahlt.

Trotzdem wird der Großteil der Episoden immer wieder wiederholt und findet - ebenso wie die neuen Folgen - auch nach wie vor ein begeistertes Publikum. In der Jubiläumsfolge feiert Ulrich Tukur seinen Einstand als Kommissar Felix Murot. Aber auch am österreichischen Beitrag zur Reihe wird gearbeitet: Die aktuelle Folge „Ausgelöscht“ mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser wurde gerade in Wien abgedreht.

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