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„Anti-christliche Ideen“

Krieg und kein Frieden: Auch 100 Jahre nach dem Tod des Literaturgenies Leo Tolstoi (1828-1910) lehnt die russisch-orthodoxe Kirche eine Versöhnung mit ihm ab. „Die Tätigkeit Tolstois in den letzten zehn Jahren seines Lebens war extrem zerstörerisch für Russland“, teilte der Kultursekretär des Moskauer Patriarchats, Tichon Schewkunow, mit.

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Der Jahrhundertschriftsteller bleibe aus der Kirche für immer ausgeschlossen, schrieb Tichon in einem am Donnerstag in der Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“ veröffentlichten Beitrag. Russland erinnert dieser Tage an den 100. Todestag von Tolstoi, der am 20. November 1910 starb.

Der Chef der russischen Büchergilde, Sergej Stepaschin, hatte die Kirche aufgerufen, ihren Frieden mit Tolstoi zu machen. Viele russisch-orthodoxe Christen hätten ein tiefes inneres Verhältnis zu dem Autor von Werken wie „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“, schrieb Stepaschin, der auch Chef des Russischen Rechnungshofes ist.

„Zerstörung der Grundfesten Russlands“

Dagegen warf der Kirchenfunktionär Tichon dem Schriftsteller vor, sich mit seinen „anti-christlichen Ideen“ selbst ausgeschlossen zu haben. Ein Synodalbeschluss der Kirche vom 20. Februar 1901 sei nur eine Bestätigung dieses „Selbstausschlusses“ gewesen.

Tolstoi habe seinem Volk „Unglück“ gebracht, schrieb Tichon. Der Graf habe sein Talent „für die Zerstörung der geistigen und gesellschaftlichen Grundfesten Russlands“ missbraucht. „Seine Aussagen waren schrecklich für das orthodoxe Bewusstsein.“ Er sei ein „Spiegel der Revolution“ gewesen.

Die russisch-orthodoxe Kirche macht Tolstoi mitverantwortlich für die Oktoberrevolution von 1917. Diese führte zum Untergang des Zarenreichs und nach der Machtübernahme der Kommunisten auch zu einer beispiellosen Unterdrückung der Kirche. Eine Versöhnung sei daher unmöglich, schrieb Tichon.