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„Das ist wie eine Seuche“

Vor 14 Jahren hat der spektakuläre Prozess des kleinen Ortes Hinkley im US-Staat Kalifornien gegen den Stromriesen Pacific Gas and Electric (PG&E) mit der größten Schadenersatzzahlung in der Geschichte der USA geendet. Durch den Oscar-gekrönten Film „Erin Brockovich“ mit Julia Roberts in der Hauptrolle wurde die Geschichte weltweit bekannt. Nun droht dem Ort eine Fortsetzung.

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Es war die Geschichte von David gegen Goliath, die weltweit Millionen Menschen in die Kinos lockte. Die Bewohner des kleinen Ortes Hinkley, die jahrzehntelang unter einer massiven Chrom-VI-Belastung, verursacht durch die nahe gelegene Fabrik von PG&E, litten, setzten sich mit Hilfe der Anwaltsgehilfin Erin Brockovich zur Wehr. Sie klagten das Unternehmen und schafften das Unerwartete: Sie gewannen den Prozess, und PG&E musste eine Rekordsumme von 333 Mio. Dollar (rund 255 Mio. Euro) an Schadenersatz zahlen.

Doch so schön das Ende im Film auch war, in der Realität scheint dem Ort immer noch keine Ruhe vergönnt zu sein. Vor kurzem zeigten Grundwasseruntersuchungen, dass erneut mit Chrom VI verseuchtes Wasser aus dem Gelände von PG&E sickert und schon die ersten Wohnhäuser erreicht hat.

„Werde den Menschen Mut machen“

Die Betroffenheit über die neue Umweltkatastrophe ist groß. Auch die echte Erin Brockovich, heute erfolgreiche Kämpferin gegen Umweltsünder, hat sich bereits zu Wort gemeldet und den Einwohnern ihre Hilfe zugesichert. „Erneut ist die Gemeinde ins Rampenlicht gerückt. Und ich werde so bald wie möglich rausfahren, um den Menschen Mut zu machen, an Türen zu klopfen und die Ergebnisse von Wasser- und Erdproben zu überprüfen“, sagte sie der „Los Angeles Times“. „Dann werden wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen.“

Umweltaktivistin Erin Brockovich

AP/Rich Pedroncelli

Erin Brockovich arbeitete als Aushilfe bei dem Anwalt Ed Masry, wo sie auf den Akt über den Umweltskandal in Hinkley stieß. Sie stellte selbst Nachforschungen an und deckte einen der größten Umweltskandale in der Geschichte der USA auf. Sie ist heute mit ihrer Firma Brockovich Research & Consulting an zahlreichen Umweltprojekten weltweit beteiligt.

Gift kehrt zurück

Das vergiftete Grundwasser bewegt sich auch auf das Haus von Roberta Walker zu. Sie trat bei dem Prozess 1996 als Klägerin auf und war eine der Personen, die den Fall überhaupt erst ins Rollen gebracht hatten. Als 1987 PG&E plötzlich anfing, sie und ihre Nachbarn mit Trinkwasserflaschen zu versorgen, wurde sie misstrauisch. Doch erst fünf Jahre später, als das Unternehmen ihren Grund kaufen wollte und bereit war, selbst einen utopischen Preis kommentarlos zu zahlen, war der Moment gekommen, „als ich wusste: Da läuft etwas sehr falsch“, erzählte Walker nun der „Los Angeles Times“.

Gemeinsam mit Brockovich deckte sie das wahre Ausmaß der Umweltverschmutzung auf. Seit den 1960er Jahren hatte das Unternehmen Chromtrioxid ins Grundwasser geleitet. Der giftige Stoff wird für verschiedene Krebsarten, Lähmungen und Nierenleiden verantwortlich gemacht.

Walker bekam nach dem Prozess fast eine Million Dollar zugesprochen. Mit dem Geld kaufte sie sich ein neues Haus einige Kilometer von der belasteten Stelle entfernt. „Das Wasser bei unserem neuen Haus war laut Tests rein, gut und sauber“, erinnert sich Walker. „Nun bewegt sich die giftige Abwasserfahne wieder auf mich zu - das ist wie eine Seuche.“

Neue Klage gegen PG&E

Sie habe bereits Anwälte eingeschaltet, um PG&E zu zwingen, ihnen einen neuen Umzug zu bezahlen. „Ich will nur noch weg von hier“, sagte Walker. Zusicherungen des Konzerns, dass die Verunreinigung nur gering sei und das Trinkwasser kaum belastet, glaubt sie längst nicht mehr - vor allem seit PG&E den betroffenen sechs Häusern erneut sauberes Trinkwasser in Flaschen angeboten hat. Auch der kommunale Wasserversorger lässt bereits eine Klage gegen PG&E prüfen, erklärte eine Sprecherin gegenüber ABC News.

Auch Brockovich forderte das Unternehmen auf, die volle Verantwortung zu übernehmen. Bei der Einigung 1997 sei festgehalten worden, dass PG&E automatisch für alle auftauchenden Vergiftungen verantwortlich ist und auch dementsprechend handeln soll. Dass es diesmal schneller geht, daran glaubt auch Brockovich nicht mehr.

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