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Cameron sucht das Glück

Die britische Regierung will einen statistischen Glücksindex einführen und damit regelmäßig die persönliche Zufriedenheit der Bevölkerung messen. Ein Regierungsvertreter sagte dem britischen „Guardian“ vom Montag, Premierminister David Cameron werde die nationale Statistikbehörde bitten, entsprechende Methoden zu entwickeln, um das „allgemeine Wohlbefinden“ unter den Briten zu testen.

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Ziel dabei sei, Daten zu erheben, die Aussagen über den „psychischen und physischen Zustand“ der Bevölkerung in ganz Großbritannien ermöglichten. Geplant seien objektive, aber auch subjektive Kriterien wie persönliche Einstellungen der Bürger, sagte der Vertreter der Zeitung. Zudem soll erhoben werden, wie erfolgreich die Briten dabei sind, ihre „Lebensziele“ zu erreichen.

Schuss ins Knie?

Großbritannien testet bisher zwar die allgemeine Zufriedenheit seiner Bürger mit ihrem Leben, will aber weitere, subjektivere Fragen einführen und die Zahl der Befragten erhöhen. Damit könnten die Briten die ersten Europäer werden, die einen Glücksindex einführen. Allerdings riskiert Cameron, wegen der jüngsten Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor derzeit keine positiven Ergebnisse zu bekommen, weshalb die Maßnahme innerhalb der Regierung auch umstritten gewesen sein soll. Cameron soll aber darauf bestanden haben: Er wolle die Ergebnisse als Grundlage für politische Entscheidungen heranziehen.

Start schon im Frühjahr geplant

Noch im November soll der Statistiker Jil Matheson beauftragt werden, die Fragen zu formulieren, die schon im Frühjahr zu bereits bestehenden Umfragen in britischen Haushalten hinzugefügt werden soll. Der „Guardian“ berichtet unter Berufung auf Regierungsquellen weiter, die Ergebnisse könnten genauso wie die Kriminalitätsstatistik vierteljährlich veröffentlicht werden, entschieden sei das aber noch nicht.

Zudem sollen die Aussagen mit anderen, objektiven Daten verknüpft werden. Als Beispiel wird Recycling angeführt: Die messbaren Ergebnisse in Sachen Umweltschutz könnten mit den abgefragten Einstellungen dazu verglichen werden. Zugleich sollten auch regionale Unterschiede in Großbritannien sichtbar gemacht werden – und dafür brauche man einen großen Datensatz und mehrere Erhebungen pro Jahr.

Idee aus Bhutan

Die Idee der Glücksmessung gibt es auch in Bhutan. Die Idee stammte dort von Bhutans ehemaligem König Jigme Singye Wangchuck. Dieser wollte das winzige Königreich einerseits in die Moderne führen, andererseits aber die Einzigartigkeit des buddhistisch geprägten Landes bewahren. Im Jahr 2008 war vom „Bhutan-Entwicklungsindex“ bzw. dem „Bruttonationalglück“ (BNG) in Anlehnung an das Bruttosozialprodukt (BSP) die Rede. Gerade in der Wirtschaftskrise fiel die Idee, den Status eines Landes nicht nur an ökonomischen Maßstäben zu messen, offenbar auf fruchtbaren Boden.

Pläne auch in Frankreich

Bereits vergangenes Jahr hatte der französische Präsident Nicolas Sarkozy angekündigt, die Zufriedenheit der Bevölkerung als Gradmesser in die wirtschaftlichen Berechnungen einzubeziehen. Europa müsse mit gutem Beispiel vorangehen und sich von der herrschenden „Zahlengläubigkeit“ lösen. Der Klimawandel und eine Reform des Kapitalismus seien mit der „Religion der Ziffern“ und der „Religion des Marktes“ nicht zu lösen.

Sarkozy reagierte damit auf einen Bericht der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Amartya Sen. Demzufolge reichen die bisherigen Messmethoden zur wirtschaftlichen Leistung nicht aus, um die tatsächliche Lage in einem Land zu beschreiben. „Es ist an der Zeit, dass unser Statistiksystem das Wohlbefinden der Bevölkerung stärker berücksichtigt als die Wirtschaftsleistung“, heißt es in dem Bericht. Demnach soll das aus den 30er Jahren stammende Konzept des Bruttoinlandsprodukts durch „eine Reihe von Indikatoren ergänzt werden“.

Experten engagiert

In den vergangenen zwei Monaten habe die britische Regierung Experten wie Sen kontaktiert, damit diese die Fortschritte in Frankreich untersuchen sollen. Auch John Helliwell vom kanadischen Statistikamt wurde herangezogen, da Kanada ähnliche Erhebungen in der Bevölkerung teilweise bereits umgesetzt hat. Nur: Beeinflusst habe das die kanadische Politik nur wenig, berichtete Helliwell dem „Guardian“. Sollte das den Briten gelingen, wären sie weltweit die Ersten.

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